Der neue Sozial-Ökologische Klassenkonflikt: Buchvorstellung mit Dennis Eversberg, Martin Fritz und Birgit Blättel-Mink | 10. Juli 2024

Wie lassen sich aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wie beispielsweise der Streit um Wärmepumpen und Landwirtschaft, die zurückgehende Unterstützung für Klimaschutz in Politik und Bevölkerung, rechte Wahlsiege oder die Verkaufsflaute bei E-Autos verstehen?

Die Autor:innen des Buchs deuten diese Entwicklungen als Ausdruck eines neuen, sozial-ökologischen Klassenkonflikts – jenseits von vereinfachenden Lesarten von zunehmender Polarisierung einerseits oder eines weitgehend intakten Konsenses andererseits.

Die Autoren Dennis Eversberg und Martin Fritz stellen die zentralen Befunde und Thesen des Buchs vor und diskutieren diese im Gespräch mit Prof. Birgit Blättel-Mink und dem Publikum.

10. Juli 2024 | 20 Uhr | Autorenbuchhandlung Marx & Co | Frankfurt am Main

Spaltet der Klimawandel die Generationen? Jana Holz bei der Langen Nacht der Wissenschaft | 22. Juni 2024

Zur langen Nacht der Wissenschaft am 22. Juni 2024 präsentierte Jana Holz in ihrem Impulsvortrag „Öko und sozial im Alter? Einstellungen der Bevölkerung ab 50 Jahren zur sozial-ökologischen Transformation“ die auf Altersgruppen bezogenen Ergebnisse der flumen-Umfrage „Bio-Mentalitäten“ und diskutiere zusammen mit anderen Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen und dem Publikum das Thema „Spaltet der Klimawandel die Generationen?“. Die Veranstaltung wurde vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) organisiert.

Ergebnisse der Veranstaltung kurz zusammengefasst: Der im Titel angesprochene „Generationenkonflikt“ fand sich in den flumen-Daten nicht wieder. Auch in der Diskussion zeigte sich, dass Konflikte um die sozial-ökologische Transformation eher entlang anderer Dimensionen und Unterschiede ausgetragen werden, wie beispielsweise der Geschlechterzugehörigkeit, der sozialen Position oder der Lebensweise von Menschen. Die Diskutierenden griffen vor allem soziale Fragen auf, wie die nach Umverteilung von Lasten und Kosten beim Kampf gegen die Klimakrise oder die nach einer an Klimaanpassung orientierten Umorganisation des Gesundheitssystems (in der beispielsweise die zunehmenden Hitzewellen berücksichtigt werden). Aber auch die Frage, warum sich Personen in der Lebensmitte (zwischen 40-55 Jahren) eher selten engagieren, wurde beleuchtet, wobei hier vor allem die Belastungen aus der Mehrfachverpflichtung gegenüber Beruf, Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen eine wesentlichen Grund genannt wurde.

Zur Veranstaltung des DZA:

Wer fühlt sich vom Klimawandel am stärksten bedroht? Welche Rolle spielen Gesundheitszustand, Einkommen und familiäre Situation? Antworten darauf liefert die Wissenschaft. Doch was bedeutet das für den Generationenzusammenhalt? Das wollen wir mit Ihnen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen diskutieren.

Teilnehmerinnen:

  • Dr. Julia Simonson (DZA): Impulsvortrag „Wahrgenommene Bedrohung durch den Klimawandel in der 2. Lebenshälfte“
  • Jana Holz (Universität Jena, Projekt FLUMEN): Impulsvortrag „Öko und sozial im Alter? Einstellungen der Bevölkerung ab 50 Jahren zur sozial-ökologischen Transformation“
  • Katharina Wansch (Health für Future), Diskutantin
  • Katharina Dietze (Omas for Future), Diskutantin
  • Clara Duvigneau (Fridays for Future), Diskutantin

Moderation: Dr. Laura Romeu Gordo (DZA)

„Klimakrise – Generationenkonflikt oder neue Solidarität von Alt und Jung?“ Martin Fritz präsentiert Forschungsergebnisse und diskutiert in DIFIS-Veranstaltung | 2. Juli 2024

In der Veranstaltungsreihe DIFIS Hot Topic lautet am 2. Juli 2024 das Thema „Klimakrise – Generationenkonflikt oder neue Solidarität von Alt und Jung?“.

Dr. Martin Fritz ist eingeladen, empirische Forschungsergebnisse aus dem flumen-Projekt zur Heterogenität der Mentalitäten bezüglich der sozial-ökologischer Transformation in Deutschland vorzustellen.

Zudem wird Dr. Mareike Bünning vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) neueste Umfragedaten aus dem Deutschen Alterssurvey (DEAS) zur wahrgenommenen Bedrohung durch die Klimakrise präsentieren und Cordula Weimann (Omas for Future) Ihre Erfahrungen aus der Praxis zum klimapolitischen Engagements älterer Bevölkerungsgruppen teilen.

Die Veranstaltung wird von DIFIS gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) organisiert und von Katharina Bohnenberger (DIFIS) moderiert.

2. Juli 2024

12:15-14:00 Uhr via Zoom

DIFIS bittet um Anmeldung unter diesem Link möglichst bis zum 25. Juni 2024

Mehr zur Veranstaltung auf der DIFIS Webseite

Bericht zum Workshop von DGB, FES & flumen: „Mehrheiten für den sozial-ökologischen Wandel gewinnen: Gesellschaftliche Konfliktlinien und strategische Kommunikationsansätze“

Bericht zum gemeinsamen Workshop des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mit der Abteilung Analyse, Planung und Beratung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der BMBF-Nachwuchsgruppe „Mentalitäten im Fluss“ (flumen): „Mehrheiten für den sozial-ökologischen Wandel gewinnen: Gesellschaftliche Konfliktlinien und strategische Kommunikationsansätze“

von Judith Kiss am 07. Juni 2024

1. Die Ausgangssituation

Der DGB Bundesvorstand Abteilung „Grundsatz und Gute Arbeit“ lud die Nachwuchsgruppe flumen und Vertreterinnen der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie der Hans-Böckler-Stiftung zum Workshop „Mehrheiten für den sozial-ökologischen Wandel gewinnen: Gesellschaftliche Konfliktlinien und strategische Kommunikationsansätze“ am 12. März 2024 ein.

Wie der Titel vermuten lässt, war es Ziel des Workshops, zu diskutieren, was es aus DGB-Sicht im Lichte gesellschaftspolitischer Spannungen bei der Umsetzung und Kommunikation von sozial-ökologischer Transformation mitzudenken und zu beachten gibt. Zentrale Fragen des Workshops waren: Was wissen wir darüber, wie Menschen und insbesondere Arbeitnehmer:innen zu Themen der sozial-ökologischen Transformation stehen? Worauf gründen verschiedenartige Einstellungen? Welche Interessen stehen dahinter? Was lässt sich daraus für die Arbeit und Kommunikation des DGB und der Gewerkschaften ableiten? Welche weiterführenden Forschungsfragen leiten sich daraus auch ab?

Inhaltlichen Input gaben neben Professor Dennis Eversberg von flumen (Studie „Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt“) auch die Forschenden Catrina Schläger, Jan Engels, Julia Bläsius und Max Ostermayer aus der Abteilung Analyse, Planung und Beratung der Friedrich-Ebert-Stiftung (Studien „Kartografie der Arbeiter*innenklasse“ & „Vertrauensfrage Klimaschutz“) sowie die Leiterin der Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im DGB Vorstand, Katrin Münch-Nebel.

Sowohl die Studien als auch die Analysen der Kommunikationsabteilung des DGB attestieren eine strukturelle und mentale Ausgangslage, in der eine Mehrheit in der deutschen Gesellschaft eine sozial-ökologische Transformation tendenziell ablehnt. Folgende Punkte beschreiben diese Ausgangslage beispielhaft:

  • Das Dilemma „Klimaschutz ja, aber mein materielles Wohlergehen darf dabei nicht angetastet werden“: Die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung äußert zwar ein Problembewusstsein dahingehend, dass Klimaschutz und (damit auch) sozial-ökologische Transformation notwendig seien[1]. Die Klimakrise wird in der deutschen Bevölkerung also mehrheitlich als reelle Bedrohung empfunden. Gleichzeitig lehnt eine Mehrheit der in unterschiedlichen Studien Befragten aber konkrete, ihre Lebenswelt berührende Umsetzungsmaßnahmen ab[2]. Viele haben das Gefühl, schon genug für den Klimaschutz zu tun oder gemacht zu haben[3]. Die Studien deuten darauf hin, dass diese Ablehnung darin begründet ist, dass die Menschen einerseits keinerlei Bereitschaft zeigen, an ihrer heutigen Lebensweise etwas zu ändern oder andererseits aus Sorge und Angst vor einem sozialen Abstieg bzw. wegen existenzieller Unsicherheit konkrete Veränderungen ablehnen. Ersteres ist klar von zweiterem zu unterscheiden: Die fehlende Bereitschaft ist bei vielen Menschen dort zu erkennen, wo sie ahnen, dass die als normal empfundene Lebensweise verändert wird und dies unbedingt verhindern wollen – selbst, wenn diese Veränderung nicht existenzbedrohend wäre. Wenn es hingegen um existenzielle Sorgen geht, dann betrifft das häufig Menschen, die bereits Abstiegserfahrungen gemacht haben und/oder in derart prekärer Lage leben, dass jedwede Veränderung als drohende Verstetigung oder Verschlechterung ihrer Lage betrachtet wird. Die wütende, resignierte und teils aggressive Art der Ablehnung ökologischer Anliegen durch diese Bevölkerungsteile wird somit auch als eine allgemeine Überforderung von gesellschaftlichen Expansionsprozessen, die sich bspw. in der ‚Digitalisierung‘, ‚Technologisierung‘, ‚Rationalisierung‘ etc. vollziehen, gedeutet.
  • Verteilungsfragen spielen in der öffentlichen und politischen Debatte um Transformationsgerechtigkeit kaum eine Rolle, obwohl die Mehrheit der Befragten beispielsweise zustimmt, dass Bürger:innen mit höherem Einkommen, Gutverdienende aus Politik, Wirtschaft und Industrie mehr für Klimaschutz leisten sollten[4]. Öffentlich ist aber kaum erkennbar, dass daraus eine klare Forderung formuliert würde, nach der Reichtum bzw. Vermögende und Eigentümer:innen in die Pflicht genommen und deren fossile Investitions- und Lebensmöglichkeiten begrenzt werden sollten. Ebenso wenig wird gefordert, öffentlich-gemeinschaftliche Strukturen prioritär vor privat-partikularen Interessen zu fördern. Stattdessen wird in der Öffentlichkeit die Erzählung einer bipolaren Gegnerschaft zwischen pro-ökologisch Eingestellten (besser gesagt: grün-linkem Bildungsbürgertum in Städten) und „vernünftig“, konform Eingestellten (besser gesagt: den einfachen Leuten) gepflegt. Vermögende, Privilegierte und Nutznießer:innen einer fossilen Wirtschafts- und Lebensweise werden hingegen nicht ins Visier genommen oder wenn ja, dann als „die da oben“- womit in der Regel allerdings diejenigen gemeint sind, die eine sozial-ökologische Transformation fordern, planen oder umsetzen. Das vordergründig als Kulturkampf geführte Konfliktnarrativ verschleiert aber wichtigere Faktoren, die bearbeitet werden müssten, um soziale und ökologische Probleme anzugehen.
  • Das Vertrauen in Politik und Gesellschaft sinkt: knapp die Hälfte ihrer Befragten bezweifelt, dass die Politik – unabhängig davon, um welche etablierte Partei es geht – Krisen, Probleme und Herausforderungen der Zukunft wie den Klimawandel lösungsorientiert behandeln könne[5]. Neben dem fehlenden Vertrauen in Politik istselbiges auch für die Medien und die Wissenschaft feststellbar[6]. In der Tendenz ist also ein Verlust von Vertrauen in die Gesellschaft und ihre Institutionen zu verzeichnen.
  • Zwischen den gesellschaftlich etablierten Schichten der Gesellschaft und denen, die nur noch begrenzt bis gar nicht Teil des gesellschaftlichen Geschehen sind, ist eine Entfremdung auszumachen[7]. Untere Schichten ziehen sich ins oftmals Private zurück.

Als Gründe für diese gesellschaftliche Ausgangslage werden vom DGB verschiedentliche angenommen: die derzeitige Polykrise, politische Fehler und Fehlsignale (wie der investitionsbremsende Sparzwang der Regierung), Maßnahmen mit ungenügender Vorbereitung oder fehlerhafte Kommunikation. Aus der Perspektive der sozial-ökologischen Mentalitätsforschung von flumen wird die Wechselwirkung von soziostrukturellen und mentalen Voraussetzungen betont: Einstellungen der Menschen sind von Erfahrungen geprägt, die sie in einer spezifischen sozialen Lage und unter bestimmten Rahmenbedingungen, die von der Politik, der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Natur etc. geprägt sind, machen. Demnach sind die Gründe für bestimmte Einstellungen in den in bestimmten sozialen Lagen gemachten Erfahrungen zu suchen.

2. Ansätze für den Umgang mit den Studienergebnissen  

Von den Einstellungen der Menschen her gibt es derzeit nur eine Minderheit, die zumindest ihrer Äußerung nach sozial-ökologische Transformation voll unterstützt; Gewerkschaftsmitglieder gehören in der Regel nicht zu dazu. Laut den Analysen von flumen haben die meisten – wohlgemerkt nicht alle – Gewerkschaftsmitglieder eher konservativ-steigerungsorientierte und prekär-regressive Grundhaltungen inne und verbinden mit dem Begriff ‚Transformation‘ eher Bedrohung und Überforderung. Aus dieser Erkenntnis heraus kam im Workshop verständlicherweise bei vielen die Frage auf, wie es denn gelingen könnte, die verschiedenen Mentalitätstypen so anzusprechen, damit eine Mehrheit die Transformation mittrüge, damit also mehr pro-ökologische Einstellungen entstünden. Entsprechend der sozial-ökologischen Mentalitätsforschung betrachtet flumen diese Frage aber nicht als die vordergründige. Mindestens genauso wichtig – wenn nicht wichtiger – könnte es sein, auf die Erfahrungsmöglichkeiten, aus denen Einstellungen entstehen und sich auch verändern, Einfluss zu nehmen. Denn wie oben bereits angedeutet, entstehen Einstellungen nicht im luftleeren Raum, biografische Erfahrungen sind entscheidende Einflussgrößen. Ein Handlungsansatz resultiert demnach daraus, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen mithilfe klima- und sozial gerechter Maßnahmen so zu verändern, dass Menschen die Erfahrung machen, sozial-ökologische Transformation könne Bedingungen für ein gutes Leben schaffen.

Die Workshopteilnehmenden trugen verschiedene Ansatzpunkte zusammen, die es ermöglichen sollen, dass Menschen positive Erfahrungen mit sozial-ökologischer Transformation verbinden und damit eine positive Grundhaltung dazu entwickeln:

  • Soziale Gerechtigkeit erfahrbar machen. Dies kann unter anderem dadurch erreicht werden, dass Gewerkschaften und der DGB (aber auch andere Transformationsakteure) vehementer sozial gerechten Klimaschutz von der Politik einfordern. Insbesondere wären dies Maßnahmen, die Ausgabenlasten vor allem bei Benachteiligten senken, den Menschen ökonomisch-finanzielle Sicherheit bieten und mehr auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind. Dazu gehören 1) die Schaffung von öffentlich-allgemeinen, klimagerechten Strukturen, die möglichst für alle zugänglich sind und eine Grundlage für ein „gutes Leben“, d.h. eine Grundausstattung der Menschen mit existenziell wichtigen Strukturen schaffen. Hierzu müssten öffentliche Infrastrukturen verbessert bzw. ausgebaut werden, beispielsweise durch den Um- und Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, die Aufwertung der Bildungs-, Gesundheits- und Pflegesektoren, die Förderung klima- und sozialfreundlicher Innovationen und Technologien oder auch die Innovation öffentlicher Verwaltung. Das hieße auch, gemeinschaftliche Interessen vor partikularen Interessen zu priorisieren, also eine Umverteilung vom Privaten zum Öffentlichen zu gewährleisten. Viele Menschen könnten so positive Erfahrungen mit klima- und sozial gerechten Strukturen machen; dies könnte die Akzeptanz und Befürwortung einer sozial-ökologischen Transformation stärken. Der wahrgenommene Verzichtsanteil würde dann schwächer gegenüber den positiven Gewinnerfahrungen. Es erscheint hingegen unrealistisch, alle wirklich mitzunehmen – vor allem diejenigen nicht, die den Komfort ihrer bisherigen Lebensweise nicht missen möchten und fest an privat-partikularen (Eigentums)Interessen festhalten; 2) die Oben-Unten-Umverteilung, das könnte heißen: Verschmutzereliten- und projekte stärker in die Verantwortung nehmen, über finanzielle und steuerliche Instrumente, aber auch über rechtliche Regulierung und Fördermaßnahmen. Dies wäre zentral, um den Verdacht, Klimaschutz sei ein Elitenprojekt, abzuschwächen.
  • Gelebte Demokratie, Gestaltungsmacht und Wirksamkeit bei den Beschäftigten fördern. Hierbei könnten sich die Gewerkschaften, Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen stärker auf Betriebe/Arbeitsstätten als Ort der Transformation und demokratischer Praxis konzentrieren. Auf diese Weise könnte bei den Beschäftigten das Gefühl von Wirksamkeit, Gestaltungsmacht und Lenkbarkeit gestärkt werden. Außerbetrieblich kommen auch andere Maßnahmen der Demokratie- und Beteiligungsförderung in Betracht, die den Menschen die Erfahrung und damit das Gefühl geben, die Transformation mitzugestalten statt ihr ausgeliefert zu sein (bspw. über Bürger:innenräte).
  • Neue Allianzen schmieden bzw. ökologische Aktivitäten stärker mit Themen koppeln, die auf Arbeit und im Alltag relevant sind. An mehreren Stellen in der Gesellschaft könnte lautstärker darauf hingewiesen werden, welchen Beitrag einzelne Menschen oder Gruppen (bspw. gewerkschaftlich Organisierte) bereits heute für eine sozial-ökologische Transformation leisten, an welchen Stellen ihnen Transformationsprozesse Sorgen und Probleme bereiten und wo sinnvolle Anknüpfungspunkte für gezieltere Interessenvertretung und -bündelung liegen (entsprechend der Fridays For Future/verdi-Allianz „Wir fahren zusammen“).
  • Chancen der Transformation deutlich hervorheben: In der Erzählung weniger auf Furcht und mehr auf Chancen im Zuge des Umbaus der Wirtschaft bzw. von Wandel hinweisen. Diese Chancen auch in der gewerkschaftlichen Arbeit als Ziel- und Handlungsfelder anvisieren. Somit könnte dem gängigen Narrativ, in denen Verzicht, Verbot, Verschlechterung der Lebensbedingungen (Job, finanzielle Sicherheit) sowie Kulturkampf/Lebensweisekonflikte hervorgehoben werden, in der Öffentlichkeit etwas entgegensetzt werden. Hilfreich wäre in dem Zusammenhang auch, konkrete Fälle aufzuzeigen, in denen Wandelsprozesse Stabilität und Sicherheit fördern, Perspektiven aufzeigen sowie kompetent angeleitet und umgesetzt werden.
  • Alltagsnähe schaffen, d.h. Transformation stärker mit lebensnahen Themen verbinden. Die Menschen finden Gesundheits-, Naturschutz- und Lebensqualitätsaspekte überzeugend, wenn es um die Unterstützung von Klimaschutz geht. Diese könnten beispielsweise mit Arbeitnehmer:innenförderung verbunden werden.

3. Weiterführende Fragen

Aus Forschendenperspektive wäre es interessant, näher zu beleuchten, wo Überforderung und Anforderungen durch klimapolitische Maßnahmen zu einem ausschlaggebenden Ablehnungsgrund führen. Anders gefragt: An welcher Stelle lehnen Menschen Veränderungen auf Grund ihrer sehr schlechten bis prekären sozio-ökonomischen Stellung ab, d.h. bei welchen Akteuren steht unter welchen Umständen die Angst vor existenzieller Bedrohung und Vertiefung der prekären Situation im Vordergrund? Bei welchen Akteuren überwiegen unter welchen Umständen die Furcht, den relativen Wohlstand einzubüßen und daher Bequemlichkeit, Gewohntes und den materiellen Lebensstandard einschränken zu müssen?

Die im DGB-Workshop aufgeworfenen Studienergebnisse werfen aber auch die Frage auf, ob die ablehnende Haltung zum gesellschaftspolitischen Transformationsprojekt eventuell nicht nur in den erwarteten konkreten Folgen für das eigene Leben wurzelt, sondern eventuell auch in der Unzufriedenheit mit bislang erlebten Klimaschutzmaßnahmen. Dann würde hinter der Ablehnung von Klimaschutzpolitik auch die Aberkennung von Kompetenz politischer Akteure stehen, politische Entscheidungen durchdacht und entlang konkreter Herausforderungen und Problemen des Alltags und der Arbeit der Menschen zu treffen. Es könnte Ausdruck dessen sein, dass Menschen die Politik als dysfunktional, ungeordnet, konzeptlos, inkompetent und damit als Bedrohung der eigenen Sicherheit wahrnehmen. Aus dieser Perspektive ließe sich auch die Sorge der gesellschaftlichen Mehrheit deuten, die politischen Entscheidungen und Regierungspolitiken brächten erwartungsgemäß Instabilität und die Bedrohung der finanziellen und ökonomischen Sicherheit mit sich. Inwiefern hinter einer Ablehnung von sozial-ökologischer Transformation fest verwurzelte Beharrungshaltungen stehen und/oder Sorge vor einer inkompetenten Politik, könnte näher untersucht werden. In letzterem Falle könnten kompetenter geplante, visionäre Klima- und Sozialprogramme mehr Vertrauen in Politik als auch in sozial-ökologische Transformation generieren.

Es wäre zudem interessant, näher zu beleuchten, was Menschen mit den Begriffen „Sicherheit“, „Wohlstand“, „wirtschaftliche Stabilität“ verbinden. Wie sehr hängt beispielweise die Forderung vieler Menschen nach Wachstum zusammen mit einem fehlenden Sicherheitsversprechen seitens der Politik? Oder stehen hinter diesen Begriffen eventuell auch Vorstellungen von einer Wirtschaft und Gesellschaft, deren Wohlstand nicht nur durch Wirtschaftswachstum erzeugt werden könnte?


[1] Vgl. Eversberg et al. (2024): Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt; Hagemeyer et al. (2024): Vertrauensfrage Klimaschutz.

[2] Vgl. Eversberg et al. (2024): Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt.

[3] Vgl. Hagemeyer et al. (2024): Vertrauensfrage Klimaschutz.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Vgl. Eversberg et al. (2024): Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt

[7] Ebd.



Quellen:

Eversberg, Dennis / Fritz, Martin / von Faber, Linda / Schmelzer, Matthias (2024): Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt: Mentalitäts- und Interessengegensätze im Streit um Transformation ; Forschungsbericht der BMBF-Nachwuchsgruppe „Mentalitäten im Fluss (flumen)“, Jena. Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Soziologie, Jena. https://doi.org/10.22032/dbt.59592

Hagemeyer, Lennart / Faus, Rainer / Bernhard, Lukas (2024): Vertrauensfrage Klimaschutz. Mehrheiten für eine ambitionierte Klimapolitik gewinnen. FES diskurs 02/2024, Friedrich Ebert Stiftung.

Martin Fritz spricht in der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg zum sozial-ökologischen Klassenkonflikt | 10. Juni 2024

Bild: https://jungk-bibliothek.org, Foto: Anne Günther-Mitsching | FSU Jena



Bei den Montagsrunden der Robert Jungk Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ) kommen monatlich etwa zwanzig bis siebzig Personen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zusammen, um ein Thema zu diskutieren. Am 10. Juni 2024 ist Martin Fritz eingeladen, über den sozial-ökologischen Klassenkonflikt zu sprechen. Diesen mehrdimensionalen Konflikt sieht flumen als zentrale Antwort auf die Frage, warum wir in einer Gesellschaft über Klima und Nachhaltigkeit streiten.

Mehr dazu auf der Webseite der JBZ:

Warum wir über Klima und Nachhaltigkeit streiten. Vielfältige Mentalitäten, unvereinbare Interessen?
Martin Fritz | Projekt „Mentalitäten im Fluss (flumen)“ | Universität Jena
JBZ Montagsrunde 215 | MO 10.06.2024 | 19.00

Ort: Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen
Robert-Jungk-Platz 1 | Strubergasse 18/2 | 5020 Salzburg

Der Eintritt ist frei.
Die Veranstaltung wird auch gestreamt.
Anmeldungen sind hier möglich.

Klima wandelt Klasse (oder wandelt Klasse das Klima?) – flumen im Gespräch mit dem Akrützel

Jana Holz und Ole Deitmer haben mit dem Akrützel, Jenas führender Hochschulzeitung, über das am 17. Juli 2024 erscheinende Buch „Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt“ gesprochen.

Im Fokus stand die Frage nach der Deutung der Konflikte um die sozial-ökologische Transformation als einem sozial-ökologischen Klassenkonflikt, Analysen zu Mentalitäten in der bundesdeutschen Bevölkerung und (möglichen) politischen Schlussfolgerungen hieraus. 

Das ganze Interview als Online-Artikel hier.



Wer sich einen ersten Eindruck über die Erkenntnisse des Buchs verschaffen will, ist der kürzere gleichnamige Forschungsbericht empfohlen. 

Zum Forschungsbericht hier.

„Klassenkonflikt um die Transformation: Wenn Meinungen auseinandergehen“ – Neuer Beitrag von Judith Kiss und Martin Fritz auf transforming economies



Foto: Xuan Duong – Pixabay.de

„Angriffe auf Politikerinnen und Aktivisten, Bauernproteste, das Erstarken der AfD und Demonstrationen für Demokratie, Energie- und Haushaltskrise und schließlich: Diskussionen um die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr als Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine – immer deutlicher wird uns vor Augen geführt, dass wir in Zeiten des Umbruchs leben. 

Vor der Corona-Pandemie, zu Hochzeiten der Klimabewegung, überwog bei vielen noch die Hoffnung, ein Umbruch in Form einer sozial-ökologischen Transformation könnte möglich sein und in eine klimafreundliche und sozial gerechte Zukunft führen. Heute hingegen scheint ein solcher Wandel eher auf Ablehnung zu stoßen und Unsicherheiten, teilweise sogar Wut zu erzeugen: Wen werden die Umbrüche besonders treffen? Lässt sich eine sozial-ökologischen Transformation angesichts des Widerstands aus vielen Bevölkerungsteilen überhaupt noch umsetzen?“

Judith Kiss und Martin Fritz gehen dieser Frage auf dem Blog transforming economies der Bertelsmann Stiftung nach, erläutern welche Antworten die Ergebnisse der Forschungsgruppe liefern kann und geben Denkanstöße, wie eine sozial-ökologische Transformation gelingen kann.

Zum Beitrag hier.

Jana Holz diskutierte das Papier „Suffizienz als ‚Strategie des Genug'“ beim Sachverständigen Rat für Umweltfragen

Im Namen der Forschungsgruppe brachte Jana Holz (M.A.) auf Grundlage des neuesten Forschungsberichts „Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt: Mentalitäts- und Interessengegensätze im Streit um Transformation drei Kommentare in die Diskussion ein, die das Papier „Suffizienz als ‚Strategie des Genug'“ an konkreten Stellen ergänzen und auf Forschungsbedarfe hinweisen.


  1. In Bezug auf These 11: Der Verweis auf kulturellen Wandel bzw. Wertewandel als Basis und Folge von Suffizienz ist wichtig und richtig. Wir möchten diesen erweitern um die Perspektive, dass der Durchsetzung von Suffizienz eigentlich fast immer auch handfeste Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen entgegen stehen, die ihre Freiheiten, ihr Privateigentum und ihre Privilegien gefährdet sehen. Unsere Forschung zeigt, dass diese Gruppen diese Freiheiten und Privilegien verteidigen und nicht bereit sind, im Sinne von Suffizienz auf ihre Gewohnheiten und eigenen Vorteile zu verzichten. Um hier ein paar Beispiele zu nennen: Mit Freiheiten meinen wir z. B.: reisen zu können wohin und wie lange man will und mit dem präferierten Verkehrsmittel der Wahl; oder ins eigene Auto steigen zu können, wann immer man mag und dieses möglichst nah und ohne Gebühren parken zu können. Privateigentum wie das Eigenheim oder angelegte Vermögen, aber auch das Recht auf die Wahl der eigenen Heizungsanlage in diesem Eigenheim werden vehement verteidigt. Privilegien wie Erbschaften oder Steuervorteile werden als Selbstverständlichkeiten angesehen und eine mögliche Einschränkung dieser Selbstverständlichkeiten im Sinne des öffentlichen Interesses wird abgelehnt. Mit diesen Interessengegensätzen und den dazu gehörigen Konflikten muss man im Zuge einer Suffizienzpolitik bewusst umgehen und politische Maßnahmen und Kommunikationsstrategien auch dementsprechend ausgestalten.

  2. Umgekehrt möchten wir bezüglich der These 5 konkretisieren, dass der im Papier geforderte strukturelle Wandel sich auf eine Stärkung von klima- und sozial gerechten öffentlichen und allgemein zugänglichen Infrastrukturen fokussieren sollteDies wird beispielweise im aktuellen Bericht des Austrian Panel on Climate Change und auch in unserem oben erwähnten Forschungsbericht ebenfalls dargelegt. Der Ausbau und die Stärkung der Daseinsvorsorge in Bereichen wie Mobilität, Gesundheitswesen, Bildung oder Freizeit wiederum liegen auch im Interesse von großen Teilen der Bevölkerung; besonders jenen, die im Alltag stark auf die Nutzung solcher Strukturen angewiesen (z.B. des ÖPNV) oder durch ihre Arbeit damit verbunden sind (z.B. durch Arbeit in Pflege, Medizin oder Bildungswesen). Dieser Fokus würde auch damit einhergehen, Finanzen, Strukturen und Erfahrungen vom privaten Bereichen hin zum öffentlichen Bereich zu verschieben, was sozial benachteiligten Teilen der Bevölkerung entgegenkommen kann und soziale Unterschiede, die auf Besitz und Privilegien aufbauen, entgegenwirken würde. 

  3. Zum Schluss möchten wir uns noch mal auf die Daten unseres neusten Forschungsberichts zum sozial-ökologischen Klassenkonflikt beziehen, denn dieser ergänzt die Thesen des Papiers wirklich gut. Er zeigt, dass Anknüpfungspunkte für Suffizienz auch jenseits offensichtlich ökosozial eingestellter Bevölkerungsteile zu finden sind, zum Beispiel in Form öko-konservativer Mentalitäten und solcher aus dem Bereich eher transformationsskeptischer Mentalitäten. Um es etwas überspitzt auszudrücken: Auch jenseits der typischen öko-sozial aktiven Bildungsbürgerin, die mit dem Lastenrad durch die Großstadt fährt, finden sich Unterstützungspotenziale für Politiken, die mit Reduktion oder einem guten und ressourcenleichten Leben einhergehen: Etwa in Teilen der ländlichen Bevölkerung, die mit der Natur verbunden sind und diese schützen wollen, also in Teilen von öko-konservativen Mentalitäten, oder unter sozial benachteiligteren Bevölkerungsgruppen, wo Suffizienz zwar oftmals nicht so heißt, aber als eine alltägliche, in langer Erfahrung mit begrenzten Möglichkeiten zur Selbstverständlichkeit gewordene Gewohnheit des Mit-Wenig-Auskommens durchaus verbreitet ist. 

Um diese Potentiale zu nutzen – und diese Bevölkerungsteile nicht von Anfang an zu verschrecken – sowie um Konflikte um die gesellschaftliche Durchsetzung von Suffizienz besser zu verstehen, ist daher unserer Ansicht nach eine Analyse des Zusammenspiels von sozialen Positionen mit Mentalitäts- und Interessenunterschieden in z. B. verschiedenen Regionen oder Branchen geboten. Indem somit die unterschiedlichen Erfahrungen und Möglichkeiten verschiedener Teile der Bevölkerung differenziert (und nicht nur als Gesamtheit) betrachtet werden, könnten wir noch besser verstehen, wie sozial-ökologische Transformationsprozesse und Suffizienzpolitiken im Konkreten aussehen und ausgestaltet sein können – und auch welche Konflikte uns auf dem Weg begegnen könnten. 

Der Versuch, Suffizienz in Politik und Öffentlichkeit in Zukunft eine größere Bedeutung zu verschaffen, scheint angesichts von den der Moderne inhärenten kapitalistischen Steigerungszwängen und individualistischen Freiheitsansprüchen eine Mammutaufgabe. Doch eine, die angegangen werden muss und der Bericht des SRU stellt dafür einen weiteren wichtigen Schritt dar. 

Weitere Informationen zur Veranstaltung vom 29.04.2024 und dem Sachverständigenrat für Umweltfragen hier.

Zum Diskussionspapier „Suffizienz als „Strategie des Genug“: Eine Einladung zur Diskussion

Jana Holz auf dem IUFRO World Congress 2024


Jana Holz spricht am 27. Juni auf dem World Congress der International Union of Forest Research Organization (IUFRO) in Stockholm zu „Human-Forest Relationship – Ambiguity in ‚taking care of the forest’” gemeinsam mit Jaana Laine (LUT University, Finnland) und Ronja Mikoleit (Stabsstelle Gesellschaftlicher Wandel der FVA und Uni Freiburg).


Abstract
The attitudes of humans toward forests can be defined as human-forest relationships, combining historical and modern aspects. These relationships affect global, societal, and individual forest-related aims and practices. This session discusses the importance of diverse human-forest relationships for sustainable future societies. Many people feel a strong emotional attachment being affectively connected to forests – they care for and take care of forest. Deep connections between humans and trees are expressed frequently, but often they are highly diverse, even conflictual.

Oftentimes, forests are mainly connected to timber production and rationality, but recently, ‘care’ has been identified as an important element in motivating human action regarding nature. Caring is intertwined with legal and psychological forest ownership. Besides valuing forests for their economic benefit, forest owners express both intergenerational respect and care and attach various meanings to forests as beloved places, a space for psychological shelter or an important part of their identity.

The concept of care (Tronto 1993, 2013) has circulated from feminist theory – originally connected to (domestic) care work in capitalism and gendered power roles – into different disciplinary fields. Currently,  glimpses of its potential are making their way into forest-related studies. ‘Care’ encompasses diverse understandings and practices of care taking. It has developed into an “important means of understanding how people relate to the world, and the relationship between people and trees is no exception” (O’Flynn et al. 2021: 228).

Our session contributes to an exploration of the concept’s potential for understanding human-forest relationships. We invite diverse forms of engagement with the concept in relation to forests and their utilization that cover various practices of ‘taking care of the forest’ and/or ‘owning a forest’, their incorporation into culture and their embeddedness in political and institutional structures – be they conceptual or empirically grounded. Central questions for our session are: What does it mean to take care of or to own a forest, in times of climate change and multiple crises? How do people develop and maintain a caring relationship to ‘their’ forest? How is decision-making (in forestry) shaped by relational, social and emotional dimensions? What role do different understandings and practices of care and ownership play in forest conflicts? Do concepts and policies in contexts of bioeconomy, circular economy or biodiversity transform how forests are taken care of? Does a caring relationship towards forests in capitalistic societies remain principally a utopian idea? Or might forests in fact be taking care of humans?

Zum Kongress-Programm hier.