Verschoben !!!“Strukturen für ein klimafreundliches Leben“: Buchvorstellung und öffentliche Diskussion mit Ernest Aigner (Wirtschaftsuniversität Wien) am 16.11.2023 | 18-19:30 Uhr

16. November 2023 | 18-19:30 Uhr | Seminarraum Zwätzengasse 4 in Jena

Ernest Aigner (Wirtschaftsuniverisät Wien), Mitherausgeber, stellt das Buch APCC Special Report „Strukturen für ein klimafreundliches Leben vor.

Im Anschluss diskutieren wir, was wir aus dem Buch lernen können: Wie kann ein klimafreundliches Leben in Jena gelingen? Was kann die Zivilgesellschaft tun? Welche Rolle spielt die Universität Jena dabei?

Bild: Ernest Aigner mithilfe von Midjourney

Über das Buch: „Zahlreiche wissenschaftliche Sachstandsberichte bestätigen schon lange den umfassenden Handlungsbedarf, um die Klimaziele zu erreichen. Dieser betrifft alle Lebensbereiche: von Arbeit und Pflege über Wohnen bis zu Mobilität, Ernährung und Freizeit. Doch wie verwirklicht man solch eine Transformation? Der Bericht unterstreicht, dass die Möglichkeiten, klimafreundlich zu leben, wesentlich durch Strukturen vorgegeben ist. Die vorherrschenden Appelle an das verantwortungsbewusste individuelle Verhalten Einzelner und Aufrufe zu nachhaltigem Konsum werden in ihren Wirkungen überschätzt. Entsprechend ist die Kernbotschaft des Berichts, die gemeinsame Gestaltung von Strukturen für ein klimafreundliches Leben ins Zentrum der Klimapolitik zu stellen.“

Die Veranstaltung ist Teil des flumen-Kolloquiums „Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Transformation“. Das Programm ist hier abrufbar.

Bericht zur Veranstaltung „Klimakleber, Heizhammer, SUV-Wahn: Worum geht es beim Konflikt um eine lebenswerte Zukunft?“

Foto: Sebastian Drue

Nicht erst seit den von Greta Thunberg inspirierten Schulstreiks für das Klima machen sich viele Menschen Sorgen um die Natur und unsere Zukunft auf diesem Planeten. Gleichzeitig aber schrecken viele vor der Vorstellung zurück, ihre Lebensweise so umfassend ändern zu müssen, wie es Wissenschaftler:innen inzwischen als unumgänglich ansehen, um die Klima- und Biodiversitätskrise noch abmildern zu können und ihre Folgen global gerecht zu bewältigen. Zunehmend scheinen sich die Fronten bei sozial-ökologischen Themen zu verhärten. In der Politik wie auch in der Bevölkerung stehen sich gegensätzliche Vorstellungen immer unversöhnlicher gegenüber. Das zeigt sich in jüngster Zeit an einer steigenden Anzahl von Reizthemen: Straßenblockaden und Anschläge auf Kunstwerke als Form des Klimaprotestes statt friedlicher Demonstrationen, ein als „Heizhammer“ bezeichnetes Gebäudeenergiegesetz, ein als Ende der Freiheit dargestelltes/eine geschürrte Angst vor Tempolimit und Verbrenner-Aus. Antworten darauf, worum es im Konflikt um eine lebenswerte Zukunft wirklich geht und ob er die Gesellschaft spalten könnte, wurden bei der Veranstaltung am 21. September 2023 in den Rosensälen in Jena diskutiert.

Zunächst präsentierte Dr. Dennis Eversberg, Leiter der BMBF-Nachwuchsgruppe „Mentalitäten im Fluss (flumen)“, die wichtigsten Ergebnisse der „BioMentalitäten“ Umfrage, für die in den Jahren 2021 und 2022 4.000 Menschen in Deutschland zu ihren sozial-ökologischen Einstellungen und Handlungsgewohnheiten befragt wurden.

Im Anschluss moderierte Malene Gürgen (taz, die tageszeitung) eine Podiumsdiskussion zwischen Dr. Dennis Eversberg (flumen, FSU Jena), Prof. Dr. Daniela Gottschlich (Hochschule für Gesellschaftsgestaltung), Teresa Gärtner (ver.di Jena) und Robert Pauli (Klimaentscheid Jena) über sozial-ökologische Transformationskonflikte in der Gesellschaft.


Hauptergebnisse:
  • Aus der Umfrage sind zehn verschiedene Mentalitätstypen in der deutschen Bevölkerung erkennbar. Diese lassen sich in drei übergeordnete Spektren einordnen: das ökosoziale Spektrum, das konservativ-steigerungsorientierte sowie das defensiv-reaktive Spektrum.

  • Die Mentalitäten der Menschen sind stark geprägt von ihren jeweiligen gesellschaftlichen Positionen.

  • Aus den Mentalitäts- und Interessensgegensätzen in der deutschen Bevölkerung deuten sich teils tiefgreifende Konfliktlinien ab:

    1. Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt:
    Mit sinkendem gesellschaftlichem Status fühlen sich Menschen zunehmend entfremdet von gesellschaftlichen Institutionen, der Politik und der Gesellschaft insgesamt.

    2. Konflikt zwischen öffentlich-allgemeinen und privat-partikularen Interessen: Individuelle Besitzinteressen stehen dem Interesse nach öffentlichem Gemeinwohl gegenüber.

    3. Konflikt um die Kosten der sozial-ökologischen Transformation: Die Verteidigung von Privilegien durch wirtschaftliche Eliten verhindern Umverteilungs- und Ausgleichsmaßnahmen.

    4. Konflikt um Externalisierung / Internalisierung der sozialen und ökologischen Lasten: Die an Wachstumszwang ausgerichtete Lebens- und Wirtschaftsweise in Deutschland geht auf Kosten von größtenteils Frauen und Migrant:innen.

  • Für viele wissensbasierte, interpersonale und öffentlich finanzierte Branchen wie Gesundheit, Bildung und Pflege birgt eine sozial-ökologische Transformation Chancen. Diese müssten in öffentlichen Debatten stärker thematisiert und hervorgehoben werden.

  • Im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation müssten Klimafragen viel stärker mit sozialen Belangen wie der öffentlichen Daseinsvorsorge und Sorgearbeit verbunden werden.

  • Öffentliche Diskurse müssten Aspekte der Transformation in den Fokus nehmen, die weniger am Wachstumsparadigma und an Kulturkämpfen orientiert sind und stattdessen auf Fragen zielen wie Was gehört zu einem guten Leben? Wo will unsere Gesellschaft hin?


Ergebnisse der BioMentalitäten-Umfrage

(In Kürze erscheint der Bericht zur Umfrage mit detaillierteren Beschreibungen der Mentalitäten und Informationen über den theoretischen Hintergrund und das methodische Vorgehen der Befragung. Er wird auf der flumen-Webseite veröffentlicht und dann auch an dieser Stelle verlinkt.)

Drei Mentalitätsspektren können in der deutschen Gesellschaft herausgestellt werden, die ganz unterschiedlich zu sozialen und ökologischen Fragen eingestellt sind: das ökosoziale, das konservativ-steigerungsorientierte und das defensiv-reaktive Spektrum. Sie fassen insgesamt neun von zehn Mentalitätstypen zusammen, die in der Umfrage herausgelesen wurden. Die Forschenden von flumen haben dann die einzelnen Mentalitätstypen in Bezug zur sozialen Situation der Befragten gesetzt, also zu deren sozialen und ökonomischen Verhältnissen wie Bildung, materieller Wohlstand, Familienhintergrund, Alter, Wohnort und so weiter. Daraus resultiert die zweite wichtige Erkenntnis der Umfrage: Mentalitäten sind mit ganz spezifischen Positionen in der Gesellschaft verbunden. Die soziale Position wird bestimmt erstens vom Status. Dieser reicht von einer hohen bis niedrigen, einer gut honorierten bis prekären, einer einflussreichen und wirksamen bis hin zu einer von Abhängigkeit bestimmten und unwirksamen Position. Diese Positionen bestimmen, ob ein Mensch von seinem sozialen Umfeld anerkannt und respektiert wird bzw. sich als solches oder eher marginalisiert fühlt. Zum zweiten wird die gesellschaftliche Position von der Statusgrundlage bestimmt. Entweder beruht der Status eines Menschen auf materiellen Ressourcen wie Eigentum (Land, Wohnfläche, Auto etc.) und auf Abhängigkeiten von Marktverhältnissen. Letztere kann bedeuten, dass der Status eines Menschen von einer beruflichen Tätigkeit geprägt ist, die stark marktabhängig ist; u.a. kann dies bei Landwirten und Landwirtinnen, handwerklichen und technischen Berufen, Tätigkeiten im Finanz-, Versicherungs- und Immobiliensektor auftreten. Oder aber der Status beruht auf immateriellen, nicht-gegenständlichen „Ressourcen“ wie Bildung und einer Abhängigkeit von der Allgemeinheit, wie es bei beruflichen Tätigkeiten mit eher wissensbasiertem und interpersonalem Charakter der Fall sein kann. Hier wären akademische, kulturelle Berufe, Tätigkeiten in Bildung, Pflege, Gesundheit beispielhaft zu nennen.

Foto: Sebastian Drue

Mit der Verknüpfung von Mentalitäten und den spezifischen gesellschaftlichen Positionen der Befragten hat die Forschungsgruppe flumen eine „Landkarte“ sozial-ökologischer Mentalitäten erstellt, die aufzeigt, wie unterschiedliche Teile der Bevölkerung zu Konzepten einer umfassenden Transformation hin zu post-fossilen Produktions- und Lebensweisen stehen und wie dies mit ihrer jeweiligen Position in der Gesellschaft zusammenhängt. Etwa ein Viertel der Bevölkerung weist Mentalitäten auf, die dem ökosozialen Spektrum zuzuordnen sind. Diese Menschen befinden sich in eher mittleren bis höheren Positionen in der Gesellschaft, wobei ihr Status auf immateriellen Ressourcen wie Bildung bzw. auf Tätigkeiten im Bildungs-, Kultur- und hochqualifizierten Dienstleistungsbereich beruht. Sie befürworten eine klimafreundliche und sozial gerechte, auf Gleichheit und Inklusion gerichtete Transformation und nehmen eher wachstumskritische Haltungen ein. Damit können sie sich ein Leben, Konsumieren und Produzieren vorstellen, das eingeschränkt ist oder gar auf das Notwendigste reduziert ist. Etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung können zum konservativ-steigerungsorientierte Spektrum gezählt werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie konservative und konformistische Einstellungen haben und eher auf Wachstum ausgerichtet sind. Sie nehmen unterschiedliche soziale Positionen ein: unter ihnen befindet sich die Wirtschaftselite ebenso wie Menschen in mittleren Statuspositionen. Ihr Status beruht in der Regel auf materiellen Ressourcen wie Eigentum und materiellem Wohlstand. Oft sind sie in technischen oder Verwaltungs- und Organisationsberufen eingebunden. Schließlich können etwa ein Drittel der Bevölkerung dem defensiv-reaktive Spektrum zugeordnet werden, deren soziale Position in der Regel mittel bis niedrig sowie unsicher und benachteiligt ist. Deren Mentalitäten sind geprägt von anti-ökologischen und wachstumsorientierten Haltungen. Sie stehen gesellschaftlichem Wandel skeptisch bis aggressiv gegenüber und nehmen ihre eigene soziale Position als unsicher oder bedroht wahr.

Aus den Mentalitäts- und Interessengegensätzen der „Bio Mentalitäten“ Umfrage sind vier Konfliktlinien ablesbar. Sie zeigen, dass angesichts anstehender Veränderungen hin zu einer sozial und ökologisch verträglicheren Zukunft teils massive gesellschaftliche Konflikte anstehen, die die bisherige demokratisch-freiheitliche Ordnung in Deutschland ins Wanken bringen könnten.

1. Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt

Dabei ist der politisch besorgniserregendste Befund, dass sich in den Befragungsergebnissen eine gesellschaftliche Spaltung durch Entfremdung bemerkbar macht. Viele Befragte, die vor allem dem defensiv-reaktiven Spektrum und teilweise dem konservativ-steigerungsorientierten Spektrum zugeordnet werden können, sehen sich mit schwindenden Beteiligungsmöglichkeiten konfrontiert und empfinden eine zunehmende Entfremdung von gesellschaftlichen Institutionen, der Politik und der Gesellschaft insgesamt. Sie lehnen zunehmend radikal „die Gesellschaft“ ab, die sie nur noch als etwas Abstraktes, Undurchschaubares und dem eigenen Leben gegenüber gleichgültiges wahrnehmen, aus der aber gleichzeitig immer neue Zumutungen an sie herangetragen werden. Dieser Konflikt zeigt sich in den Antworten der Befragten, die sich in auffälliger Weise von Oben nach Unten unterscheiden. So wird die Vorstellung, mit eigenem Handeln etwas gegen ökologische Krisen bewirken zu können immer mehr verneint, je niedriger der gesellschaftliche Status einer Person ist. In den unteren Positionen – vor allem im defensiv-reaktiven Spektrum – wird den Medien weniger vertraut, Wissenschaft skeptisch oder kritisch gesehen, Politik wird als für das eigene Leben bedeutungslos wahrgenommen, Globalisierung als letztlich schädlich für die Menschen gesehen, und auch technologische Entwicklungen wie die Digitalisierung und ganz besonders die Gentechnologie sowie auch gesellschaftliche Veränderung ganz allgemein stoßen vor allem dort auf Ablehnung oder werden mit Sorge betrachtet. Bei Personen hingegen mit höherem Status – vor allem in besser gestellten Teilen des konservativ-wachstumsorientierten und des ökosozialen Spektrums – genießen alle diese Institutionen, Technologien und Prozesse weit überwiegend Vertrauen und Zustimmung. Zusammengefasst steigt die Neigung, Veränderungen abzuwehren und die Wahrnehmungen eigener Machtlosigkeit an, je niedriger der soziale Status eines Menschen ist. Spiegelbildlich befürworten Menschen, je höher ihr Status ist, gesellschaftlichen „Fortschritt“ und empfinden sich zunehmend handlungsmächtig und gestaltungsfähig. Somit stehen sich teils sozial mächtige Gruppen, die über einflussreiche Positionen aktiv Einfluss auf das gesellschaftliche Geschehen nehmen, an den gegenwärtigen Entwicklungen in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Medien, Technologie usw. mitwirken und von dieser Mitwirkung profitieren einerseits den Abhängigen, Machtlosen und Benachteiligten andererseits entfremdet gegenüber. Da hier verschiedene Bevölkerungsteile in unterschiedlichem Ausmaß in das gesellschaftliche Geschehen eingebunden sind, kann hier von einem Klassenkonflikt gesprochen werden. In diesen Befunden kommt übergreifend zum Ausdruck, dass sich Bevölkerungsgruppen vor allem des defensiv-reaktiven Spektrums und aus den schlechter gestellten Teilen des konservativ-steigerungsorientierten Spektrums überfordert fühlen von der zunehmenden gesellschaftlichen Komplexität und von den immer neuen Anforderungen, die technologische Neuerungen mit sich bringen. Sie empfinden es als belastend, dass immer größere Forderung nach produktiver und konsumtiver Leistung an sie gestellt werden, um die vorherrschende Wachstumsdynamik beizubehalten. Zudem fühlen sich viele Menschen aus diesen Spektren zunehmend fremdbestimmt durch abstrakte Wissensformen und Technologien und beherrscht durch ein abstraktes „System“, das den eigenen Bedürfnissen gegenüber gleichgültig ist und dessen Triebkräfte und Logik sich dem eigenen Verständnis verschließen. Als Ausdruck dieser abstrakten Beherrschung erscheinen auch Erkenntnisse der Klimaforschung, die daraus abgeleiteten Forderungen nach sozial-ökologischer Transformation und die zu ihrer Umsetzung ergriffenen politischen Maßnahmen. Die politische Gefahr hierbei besteht darin, dass sich Menschen aus dem konservativ-steigerungsorientierten und defensiv-reaktiven Spektrum zu einer mehrheitlichen Allianz einer autokratischen ‚Gegentransformation‘ zusammenfinden könnte. Wenn die Diagnose einer Spaltung durch Entfremdung richtig sein sollte, dann wäre der fortschreitende Vertrauensverlust und die zunehmende Entfremdung letztlich nur dadurch zu stoppen, der technisch-ökonomische Zwang aus den gegenwärtigen Prozessen beseitigt würde. Stattdessen sollten sich Zukunftsprozesse an den konkreten Bedürfnissen der Menschen orientieren.

Dieser neue sozial-ökologische Klassenkonflikt verläuft entlang der Macht- oder Herrschaftsverhältnisse der Gesellschaft und wird in der öffentlich-politischen Diskussion als solcher bislang kaum zur Kenntnis genommen. Vielmehr wird der Konflikt zwischen den Oberen und den Unteren in der Gesellschaft verkürzt als Verteilungskonflikt dargestellt, bei dem der Reichtum und die Verschmutzungschancen von ganz oben, also von einer kleinen Gruppe der „Verschmutzerelite“ nach unten verteilt werden soll. Denn solange bei Vielen der Eindruck vorherrscht, dass gerade den weniger Privilegierten zunehmend Verzicht oder Anpassungsleistungen im Sinne des Klimaschutzes abverlangt werden, während die Reichen und Mächtigen ungehindert weitermachen wie zu vor, werden auch klimapolitisch unbedingt notwendige Veränderungen als ungerecht wahrgenommen und schon deshalb scharf abgelehnt werden. Keine Frage: die wahrgenommene Schonung der Mächtigsten und am stärksten für die Krise Verantwortlichen ist ein Transformationshindernis, das durch eine Politik der vordringlichen Reduzierung von „Luxusemissionen“ und der eben angesprochenen Umverteilung bearbeitet werden muss. Doch wie oben beschrieben, verbirgt sich hinter einem Oben-Unten-Konflikt weitaus mehr als ein Verteilungskonflikt, nämlich der beschriebene sozial-ökologische Klassenkonflikt.

2. Konflikt zwischen öffentlich-allgemeinen und privat-partikularen Interessen

Wesentlich ist weiterhin der Konflikt zwischen Interessen, die auf die privaten Besitzinteressen Einzelner gerichtet sind und gemeinschaftlichen Interessen, die auf das öffentliche Gemeinwohl abzielen. Dieser Konflikt wird irritierenderweise in der Öffentlichkeit zu einem Kultur-Konflikt reduziert, der mal als ein Konflikt zwischen Stadt und Land, mal als ein Generationenkonflikt und anderswo wiederum als ein Konflikt zwischen männlich-autoverliebten und weiblich-ökologischen „Milieus“ beschrieben wird. Doch aus den Umfragedaten von flumen ist ablesbar, dass der Konflikt nicht einfach zwischen Identitäten besteht, sondern vielmehr zwischen Interessen, die an spezifische soziale Positionen geknüpft sind. Da sind zum einen diejenigen, deren Status sich mehr auf Privateigentum stützt und die daran interessiert sind, dieses zu erhalten oder auszuweiten. Sie sind vor allem im konservativ-steigerungsorientierten und defensiv-reaktiven Spektrum zu finden. Zu ihnen zählen viele Beschäftigte in technischen und organisatorischen Berufen in der Privatwirtschaft (leitende und technische Berufe in Industrie, Bau, Handwerk, Finanz- und Versicherungsbranche, Logistik, Handel), aber auch viele Ruheständler:innen. Sie möchten vor Ansprüchen „der Gesellschaft“ bzw. des Staates geschützt werden und wünschen sich eine Politik der Begünstigung und „Entlastung“ von Eigenheimbesitzer:innen, Autofahrer:innen und Unternehmen sowie möglichst wenig Besteuerung und Einmischung in die eigenen „privaten“ Angelegenheiten. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, deren Status sich mehr auf Bildung, eher geringe materielle Ressourcen und interpersonale, öffentlich finanzierte Tätigkeiten in Wissenschaft, Erziehung/Unterricht, Kunst/Kultur, Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch in Hilfsarbeiten und Nicht-Erwerbstätigkeit stützt. Sie sind vor allem im ökosozialen Spektrum zu finden. Ihr Interesse gilt eher der Bereitstellung allgemein zugänglicher, öffentlicher (Infra-)Strukturen und möglichst günstigem und garantiertem Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen. Damit priorisieren sie Maßnahmen, die gerade stärkere Regulierung, Besteuerung und ein stärkeres In-Verantwortung-Nehmen von Eigentümer:innen seitens des Staates verlangen würden. Es geht hier also vielmehr um Interessen, die sich aus der Lage innerhalb der Gesellschaft ergeben, als um Identitäten oder kulturelle Faktoren. Doch es erscheint in manchen Fällen vorteilhafter, den Konflikt öffentlich darauf zu reduzieren, wie Menschen eingestellt sind und so beispielsweise „die Ökos“ und „die einfachen Leute“ gegeneinander auszuspielen. Auf diese Weise können vor allem diejenigen, die Besitzinteressen verteidigen wollen, Forderungen nach Umverteilung von „Privat“ zu „Öffentlich“ abwehren. Dies kann aber gefährlich sein. Denn politisch wird so gerade die Gemeinsamkeit zwischen konservativ-steigerungsorientierten und defensiv-reaktiven Mentalitäten ins Zentrum gestellt, was die gleichzeitige verbale Abgrenzung gegenüber politisch rechten Kräften zunehmend weniger überzeugend macht.

3. Konflikt um die Kosten der sozial-ökologischen Transformation

Die dritte Konfliktlinie beschreibt den Konflikt um die Notwendigkeit und Reichweite sozial-ökologischer Transformation sowie um den Umgang mit deren erwarteten finanziellen und materiellen Kosten. Wer ist bereit sie zu tragen, wer kann sie tragen, wer verweigert sich? Erkennbar wird der Konflikt an den Antworten, die Befragte auf die Fragen nach Befürwortung oder Akzeptanz von Preissteigerungen und Jobverlusten infolge ökologischer Krisenbewältigungsmaßnahmen gegeben haben. Der starke Gegensatz in der Beantwortung dieser Fragen zwischen den Mentalitäten des ökosozialen Spektrums und denen des defensiv-reaktivem Spektrums hat deutliche Entsprechungen auf der Ebene der Branchen, in denen die Befragten tätig sind: Akzeptiert werden Preissteigerungen und Jobverluste häufiger von Wissensarbeiter:innen und Beschäftigten in interpersonalen Dienstleistungen (Wissenschaft, Bildung, Gesundheit/Soziales), stark abgelehnt in Niedriglohnbranchen, die durch Strukturwandelprozesse stark unter Druck stehen (Logistik, Handel/Kfz-Gewerbe). Es ist aber zunächst eine Spannung, keine Spaltung, weil sich diese Konfliktdimension prinzipiell durch Umverteilung entspannen ließe. Genau um diesen Aspekt drehen sich aktuelle Diskussionen um Entlastungspakete u.ä. Dahingehend zeigt die Umfrage, dass die Befragten mit einer ökosozialen Mentalität steuer- und sozialpolitische Umverteilungsmaßnahmen zugunsten betroffener Beschäftigter deutlich mehrheitlich befürworten. Politisch scheitern Umverteilungsversuche hingegegn eher an wirtschaftlichen Eliten und Mentalitäten der konservativen Mitte, die Umverteilungsversuche zu verhindern wissen, in dem sie auf der Schuldenbremse beharren und sich wegen ihrer Besitzinteressen gegen Steuererhöhungen aussprechen. In der öffentlichen Debatte wird dieser Aspekt jedoch oftmals kaum erwähnt, dem ökosozialen Mentalitätstyp in den Städten wird hingegen ein dünkelhaftes Herabschauen auf schlechter verdienende und potentiell stärker betroffene auf dem Land unterstellt.

4. (Latenter) Konflikt um Externalisierung / Internalisierung der sozialen und ökologischen Lasten

Ein vierter latenter Konflikt betrifft die Kosten des Nicht-Wandels, also eines Weiter-So. Dahinter steht, dass bestimmte Praktiken und Lebensweisen, die hierzulande als normal gelten und von der gesellschaftlichen Mitte als legitimer Anspruch betrachtet werden, soziale und ökologische Lasten hervorrufen. In anderen Worten, es geht um die Frage des gesellschaftlichen Steigerungszwangs und der damit verbundenen Externalisierung von Kosten der Lebensweise auf Natur, marginalisierte Arbeitende und andere Weltregionen. Der Soziologe Stephan Lessenich hat diesen Prozess der gesellschaftlichen Selbststabilisierung durch stetiges Auslagern und Abwälzen, Aneignen, Ausbeuten und Ausblenden mit dem Begriff der Externalisierungsgesellschaft belegt. Ulrich Brand und Markus Wissen sprechen von einer Imperialen Lebensweise. Zwar lassen sich die von diesen Diagnosen angesprochenen global wirkenden Ungleichheiten und Machtverhältnisse in unserer Umfrage nicht in Gänze abbilden, weil der Datensatz lediglich einen nationalen Sozialraum abbildet. Wohl aber verdeutlicht unsere Umfrage die Verhältnisse der Aneignung von un- oder unterbezahlter Arbeit, des ungleichen Naturverbrauchs und der Auslagerung/Abwälzung von Lasten durch die produktiven und konsumtiven „Kerne“ der hiesigen Gesellschaft auf die zum großen Teil von Frauen und Migrant:innen bevölkerten „inneren Peripherien“. Typische Tätigkeiten in diesen peripheren Räumen sind unsichere, ungeschützte, unterbezahlte, gering qualifizierte und sozial abgewertete „reproduktive“ Dienstleistungen (z.B. Altenpflege, Gebäudereinigung, Bringdienste), unbezahlte Sorgearbeit (Kindererziehung, Angehörigenpflege) oder oft von Wanderarbeiter:innen verrichtete landwirtschaftliche Hilfstätigkeiten (Spargelernte, Fleischverarbeitung).

Podiumsdiskussion

Moderation: Malene Gürgen (taz.die tageszeitung)

Diskutant:innen: Dr. Dennis Eversberg (flumen, FSU Jena), Prof. Dr. Daniela Gottschlich (Hochschule für Gesellschaftsgestaltung), Teresa Gärtner (ver.di Jena) und Robert Pauli (Klimaentscheid Jena)

Malene Gürgen fragt Daniela Gottschlich, welche Aspekte der Studienergebnisse Sie überraschend fand und welche Sie so erwartet hätte? Erwartbar fand Daniela Gottschlich die breite Zustimmung zu allgemeinen Prinzipien der Nachhaltigkeit und dass es aber immer dann problematisch würde, wenn es um konkrete Maßnahmen geht. Die Mentalitätsforschung leiste hier einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis dieser Widersprüchlichkeit und eröffne Möglichkeiten, in diese Konfliktsituationen einzugreifen bzw. Strategien für die Ausarbeitung konkreter Maßnahmen zu entwickeln. Die Ergebnisse der Studie seien eher erhellend als überraschend gewesen. Zu ihnen gehört der ausgearbeitete Verteilungskonflikt zwischen dem Allgemeinwohl einerseits und den Partikularinteressen und dem dazugehörigen Anspruch, das Leben des Einzelnen müsse sich nicht verändern und es sei völlig legitim auf Kosten und Lasten anderer zu leben, andererseits. Dieser Konflikt müsse unbedingt stärker ins politische Bewusstsein und in politische Diskurse gebracht werden. Ebenso der Entfremdungskonflikt. Dieser Befund würde ja auch in anderen Studien bestätigt und gespiegelt, beispielsweise in der Jugendstudie „Hört uns zu“ der Vodafone Stiftung, in der 14 bis 18-jährige ihr fehlendes Vertrauen in politische Parteien geäußert hätten. Oder die „Mitte“-Studie der Universität Bielefeld von 2023, die zeigt, dass rechtsextreme Positionen in Deutschland seit 2021 stark zugenommen haben und etwa ein Fünftel der Bevölkerung sich nicht klar von rechtsextremen Positionen abgrenzt. Gottschlich ist der Ansicht, dass die Gefahr einer autoritären Transformation, wie sie sich in der Umfrage abzeichnet, eine reale Gefahr darstelle.

Teresa Gärtner wird gefragt, wie sie den Konflikt um die Kosten einer Transformation in Ihrer Arbeit wahrnehme? Spielten beispielsweise die Fragen nach möglichen Jobverlusten im Zuge des Klimaschutzes eine Rolle? Teresa Gärtner sieht nicht, dass die Beschäftigten in den Branchen Bildung und Gesundheit sich wegen möglicher Jobverluste sorgen würden. Eher fehlten in diesen Branchen Fachkräfte. Angst um den eigenen Arbeitsplatz – das sei sicher eher Thema bei der IG Metall und IG Bergbau, Chemie, Energie. So sinnvoll es ist, über den Wegfall von Arbeitsplätzen zu reden und sich darauf vorzubereiten, so vermisse sie doch das Reden über andere Branchen. Es wäre sehr begrüßenswert, wenn mehr Arbeitskräfte in die Pflege und Bildung kämen und das Gesundheitssystem besser ausgebaut würde. Überhaupt würde in der Öffentlichkeit zu vordergründig über die Industrie und deren Belange in einem Wandelprozess geredet. Sie vermisse die umgekehrte Thematisierung: Wo möchte die Gesellschaft hin? Wo benötigt unsere Gesellschaft Arbeitsplätze? Wie können Arbeitsplätze in interpersonalen Bereichen attraktiv gemacht werden? Sie schließt daraus, dass in Ihrem Arbeitskontext zwar einige transformationsrelevante Kosten, wie Wegfall bestimmter Arbeitsplätze, kaum mit Sorge betrachtet würden, andere Kostenfragen wie Preiserhöhungen würden hingegen schon eine Rolle spielen – allerdings vor allem dann, wenn gleichzeitig herausfordernde und ungerechte Beschäftigungs- und Lebenssituationen unverändert blieben.

Weiter fragt Frau Gürgen, ob die Gewerkschaften hier nicht stärker zusammenarbeiten und die Risiken und Chancen der Transformation für Arbeitsplätze nicht einheitlicher bearbeiten könnten? Das müssten sie sicher tun, so Teresa Gärtner, aber einerseits würden nun einmal bestimmte Gewerkschaftsstimmen die öffentlichen Diskursen dominieren, andere seihen weniger wahrnehmbar. Andererseits seien verschiedene und sich gegenüberstehende politische Lager auch innerhalb der Gewerkschaften vertreten, sodass sich auch hier Interessenskonflikte abzeichneten und ausgetragen würden. Grundsätzlich sei aber eine Verständigung zum Thema „Arbeitsplatzwegfall versus Arbeitsplatzleerstellen in Deutschland“ notwendig.  

Foto: Sebastian Drue

Malene Gürgen fragte Robert Pauli: Die Studie zeigt, dass Klimaschutzmaßnahmen eher befürwortet werden, wenn sie abstrakt sind und wenig in den Alltag eingreifen. Der Klimaentscheid Jena hat durchgesetzt, dass die Stadt bis 2035 klimaneutral wird – das klingt auch erst einmal abstrakt, hat aber konkrete Auswirkungen. Fängt die schwierige Phase jetzt erst an, wo es um die konkrete Umsetzung geht? Robert Pauli bestätigt, dass jetzt, wenn es an die Umsetzung und an die konkreten Maßnahmen gehe, die Schwierigkeiten zunehmen würden. Die Abstimmungsfragen wären oftmals eher allgemein gehalten, da viele konkrete Maßnahmen und Schritte gar nicht auf der Ebene eines Klimaentscheids zu entscheiden oder festzulegen gewesen sein – und bei den eher abstrakt formulierten Aussagen eine Zustimmung von sowohl Bürger:innen wie gewählten Vertreter:innen leichter zu erreichen sei. Nun, in der Phase der Umsetzung des Klimaaktionsplans, werde es um konkrete Maßnahmen gehen und Konfliktpotentiale seien absehbar. Andererseits böte die derzeitige Gesellschafts- und Klimakrise auch die Chance, neue Wege für Abstimmungen und Diskussionen zu konkreten Maßnahmen zu finden. Statt als Bürger:in lediglich nur politisch beschlossene Maßnahmen vorgesetzt zu bekommen und eventuell mit einer Wahlstimme darauf zu reagieren, wäre es wünschenswert, wenn direktere Aushandlungsprozesse entstehen würden. Beispielsweise über Bürgerräte, in denen die verschiedenen Mentalitäten der Bevölkerung auch eher vertreten wären.   

Dennis Eversberg wird gefragt, welche Erklärungsansätze er dafür sähe, dass öffentliche Debatten zum Thema Heizungsgesetz oft sehr polarisiert abliefen, als stünden sich klar umrissene Lager gegenüber. Dennis Eversberg antwortet, auch die Beschreibung der drei Mentalitätsspektren aus der Umfrage darauf abzielten, gesellschaftliche Spaltungen verständlicher zu machen. In konkreten Fragen könnten sich natürlich schon auch immer wieder Fronten auftun zwischen Interessen, beispielsweise den Interessen von Eigentümer:innen auf der einen Seite und Mietenden auf der anderen.

Im historischen Vergleich seit 2018 könne im Übrigen eine interessante Entwicklung beobachtet werden. Das Bild der Fronten ändere sich stark. Das läge auch daran, dass sich Mentalitäten änderten. Und da hätten die öffentlichen Diskurse, die geführt würden, sicher eine Wirkung. Beispielsweise könne man überlegen, ob diese ständige Rhetorik „die abgehobenen Grünen und Linken in den Städten hätten kein Verständnis für die einfachen Leute, wo es den einfachen Leuten nur darum ginge, ihr Häuschen und Auto erhalten zu dürfen“ dienlich sei. Bei dieser Rhetorik fehlten die von Teresa angesprochenen Leute bzw. deren Themen. Dennis Eversberg hätte vormals bereits Mentalitätstypen auf Grundlage der Umweltbewusstseinsstudien 2016, 2018 und 2022 des UBA beschrieben. In diesem Zeitabschnitt seien vehemente Veränderungen sichtbar: 2016 beispielsweise hätte es noch eine prekäre ökosoziale Mentalität gegeben, die in Veränderungen durchaus ein Mittel zur Veränderung der Prekarität gesehen habe. Heute sei das anders. Das läge vielleicht in demografischen Parametern begründet: junge Leute fühlten sich nicht mehr prekär und hätten auch keine Verbindung mehr zum Prekären. Sie seien aber gebildeter und mehr in soziale Bewegungen eingebunden. Hier klaffe eine Lücke zwischen ihnen und den heute sich in prekären Situationen Befindlichen.

Malene Gürgen merkt an, dass Forderungen nach einer verbesserten öffentlichen Infrastruktur selten in Verbindung mit Klimaforderungen stünden. Sie fragt Teresa Gärtner, welchen Beitrag die Gewerkschaften dafür leisten könnten, dass soziale und ökologische Forderungen nicht als Widerspruch wahrgenommen würden, und was sie dafür bräuchte? Ja, Strukturen müssten verbessert werden, so Teresa Gärtner. Ein zentrales Problem sei die Belastung der Beschäftigten und das Empfinden „Ich werde allein gelassen in der Gesellschaft, bin in der Gesellschaft unsichtbar. Und dann wird mir wieder etwas vorgeschrieben von der Politik.“Das mache sich bemerkbar in der ständigen politischen Forderung nach einer schwarzen Null und der damit zusammenhängend Botschaft, die Gesundheits- und Pflegesysteme seien nicht reformierbar. Schon allein aus dieser Wahrnehmung heraus stünden viele Menschen politischen Maßnahmen ablehnend gegenüber. Im Hinblick auf das Heizungsgesetz gehe es also vielleicht nicht unbedingt um das generelle Ablehnen ökologischer Motive, sondern eher darum, dass wieder etwas aufgedrückt würde, wobei die eigentlichen, alltäglichen Probleme aber immer noch unberührt blieben. Aus der Gesellschaft wünsche sie sich Unterstützung: mehr Verständnis, mehr Hinsehen in die Sorge-Sektoren der Gesellschaft. Von Betroffenen erhoffe sie sich, dass diese sich selbst ernster nähmen und sich organisierten. Das Problem sei aber vielschichtig. So nähmen einzelne Personen oft auch unterschiedliche, teils sich widersprechende Positionen ein. Wenn also einerseits die Pflegefachkraft eine sozial-ökologische Transformation befürworte, vor allem weil damit auch die Chance verbunden sei, in ihren Belangen etwas zum Besseren zu verändern. Sie aber gleichzeitig als Hauseigentümern beispielsweise die ökologischen Maßnahmen wie das Heizungsgesetz ablehne. Zunächst wäre es wohl wichtig, genauer auf die Belange bestimmter sozialer Gruppen zu schauen, diese ernst zu nehmen und sie öffentlich stärker zu vertreten.

Malene Gürgen nimmt Bezug auf den Befund der Umfrage, Mentalitätsspektren unterschieden sich in der Frage, was Wohlstand bedeute. Sie fragt Daniela Gottschlich, wie wir dahinkämen, dass Wohlstandsvorstellungen, die weniger auf materiellem Besitz und Wachstum gründeten, nicht nur für eine Minderheit attraktiv blieben? Daniela Gottschlich möchte unterschiedliche Antworten für unterschiedliche Gruppen in der Gesellschaft geben. Für die oberen 10% verfolge sie eine konfrontativere Strategie: Hier sei eine Repolitisierung notwendig und der Anspruch, business as usual zu Lasten anderer betreiben zu dürfen, müsse zurückgewiesen werden. Hier lohne es sich nicht zu überlegen, wie wir sie erreichen und mitnehmen. In Bezug auf das Dilemma, dass viele Menschen einerseits die Dringlichkeit und Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen einsehen, dann aber konkreten Klimaschutzmaßnahmen ablehnend gegenüberstehen, hätte sie folgenden Vorschlag. Bei konkreten Regulierungen sei es ratsam, Argumente anders anzuführen: Statt Einschränkung der Freiheit solle die Erweiterung von Freiheiten und die Verbesserung von einzelnen Aspekten des Lebens wie Gesundheit betont werden. Überhaupt solle in öffentlichen Diskursen die Frage „Was gehört zu einem guten Leben?“ stärker in den Fokus rücken. Muss Wohlstand sich an Wachstum messen? Eine Harvard-Studie dazu hätte herausgestellt, dass die Menschen in erster Linie tragfähige soziale Beziehungen, Gleichheit und Wirksamkeit als erfüllende Kategorien empfänden. Mehr Zeit, Gleichheit und Solidarität seien wichtig für ein als glücklich erlebtes Leben.

Die Studie, so Malene Gürgen, zeige, dass hinter vermeintlich kulturellen Konflikten oft materielle Interessengegensätze stünden, andererseits scheine bspw. beim Kampf um das Auto tatsächlich nicht entscheidend zu sein, wie stark man auf das Auto angewiesen sei, sondern welche kulturelle Bedeutung es im Leben einnähme. Müsste an solchen Stellen, fragt Malene Gürgen Dennis Eversberg, also letztlich doch ein Kulturkampf geführt werden? Ein Stückweit sei es natürlich eine Identitätsfrage, aber um aus dem Terrain des Kulturkampfes herauszukommen, helfe es sicher, alles eher sachlich zu argumentieren. Nicht emotional. Betont nüchterne Diskussionen um Gerechtigkeitsfragen, herrschaftliche Naturverhältnisse und Sozialverhältnisse hülfen mehr herauszustellen, wer in der Gesellschaft wirklich die Lasten trage. 

Malene Gürgen wendet sich an Robert Pauli: Der Klima-Aktionsplan sähe vor, den PKW-Verkehr in Jena bis 2035 um 30 Prozent zu reduzieren, auch mit “Push-Maßnahmen”, also ordnungsrechtlich-restriktiv. Was bedeute das, und wie ließe sich vermeiden, dass es dagegen einen massiven Backlash gibt? Besonders beim Verkehr müssten auch restriktive Maßnahmen sein, so Robert Pauli. Gerade, weil Verkehr auch viel mit Habitualisierung, also fest eingefahrenen Gewohnheiten zu tun hätte. Allerdings könnten Alternativen restriktive Maßnahmen ausgleichen: ein funktionierender und alltagspraktischer ÖPNV müsste parallel angeboten werden.

Malene Gürgen merkt an, dass in den letzten Monaten viel darüber diskutiert wurde, inwiefern die Aktionen der Letzten Generation kontraproduktiv für die Anliegen der Klimaschutzbewegung seien, weil sie “normale Menschen” gegen sich aufbringe. Was ließe sich ausgehend von den Erkenntnissen der Studie dazu sagen? Die Unterstützung der Klimabewegung in der Bevölkerung gehe tendenziell zurück, antwortet Dennis Eversberg. Es sei aber unklar, welchen Anteil dabei die Letzte Generation hat. Der Konflikt muss aber am Kochen gehalten werden, weil die Probleme nicht ignoriert werden dürften. Die Kritik, die gegenüber der Letzten Generation angeführt werden könnte lautet: es fehlt die Perspektive, wie die Letzte Generation sozial weitere Kreise erreichen möchte. Sie weise zu wenige thematische Anknüpfungspunkte zu anderen sozialen Gruppen und deren Realitäten auf, wie es beispielsweise Fridays for Future mit Themen wie Klimagerechtigkeit getan hätten.

Malene Gürgen fragt Teresa Gärtner, welche Ansatzpunkte sie für ein stärkeres Zusammengehen von sozial ausgerichteten und ökologisch ausgerichteten Akteuren, oder konkret den Gewerkschaften und der Klimabewegung sähe? Was empfinde sie dabei als kontraproduktiv, was als hilfreich? Bei der Zusammenarbeit müsse eine gemeinsame Sprache entwickelt werden, findet Teresa Gärtner. Wichtig sei eine wertschätzende Sprache. Klimafragen müssten verbunden werden mit sozialen Fragen wie der öffentlichen Daseinsvorsorge und Sorgearbeit. Die Care-Krise müsse zusammen mit der Klimakrise diskutiert werden. Klima sei in den Medien besser zu ‚verkaufen‘, aber was ist eigentlich wirklich wichtig in der Gesellschaft? Das müsse stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Auch von den Gewerkschaften. Auch die Demokratisierung müssen Gewerkschaften stärker im Blick behalten: wer fühlt sich nicht gesehen und unbeteiligt?

Daniela Gottschlich wird von Frau Gürgen gefragt, welche konkreten Impulse von feministischen Ansätzen für die sozial-ökologische Transformation ausgehen könnten? Daniela Gottschlich merkt an, die Thematisierung der Daseinsvorsorge sei von Teresa Gärtner ja schon genannt worden. Gute Sorge um sich, für andere, für die Natur – das sei die Grundlage für Gesellschaft. Darüber hinaus seien Allianzen mit Ansätzen wie Degrowth denkbar sowie mit dem neuen Ansatz der foundational economy (Alltagsökonomie), die danach fragt, wie wir Verkehr, Wohnen, Energie so hinbekommen, dass Bedarfe gedeckt werden und zudem auf gerechte und sichere Art. Aus feminsitischer Perspektive sollten die Menschen sich selbst im sozial-ökologischen Kontext denken. Das heißt, Abhängigkeiten nicht leugnen, stattdessen schauen, wie ein Leben trotz derzeit zerstörerischer Verhältnisse im Carebereich wie im Klimabereich möglich sei.  

Malene Gürgen fragt Robert Pauli, welche Allianzen beim Klimaentscheid in Jena konkret geholfen hätten und was andere Orte davon lernen könnten? Die einzelnen Klimagruppen in Jena hätten gut zusammengearbeitet, findet Herr Pauli. Auch die Vernetzung mit der Stadtverwaltung sei überraschend gut gelaufen. Die Vernetzung zu sozialen Bewegungen sei weniger gut gewesen, da gäbe es noch Handlungsbedarf.

Eine Publikumsfrage richtet sich an Dennis Eversberg: Warum sei auf der einen Folie keine Überlappung der Partei Die Linke mit irgendeiner Mentalität zu erkennen? Das sei in der Tat frappierend, so Dennis Eversberg. Es gäbe eine starke Deckung der Spektren mit Parteien. Im ökosozialen Spektrum würden eher die Grünen gewählt, im defensiv-reaktiven Spektrum die AfD und im steigerungsorientierten Spektrum seien FDP, CDU und SPD-Wähler stark vertreten. Die Linken hingegen seien nicht verankert in den Spektren. Keine Mentalität stünde in Resonanz mit den Programmen der Linken.   

Wir danken ganz herzlich unseren Gäste Prof. Dr. Daniela Gottschlich, Teresa Gärtner und Robert Pauli sowie der Moderation Malene Gürgen für die spannende Diskussion!

„Scientific Coffee HFR” with Anne Matilainen (University of Helsinki) on psychological ownership and Human-Forest-Relationships | 08.09.2021 13-15 CET / 14-16 EEST

We warmly invite you to join the “Scientific Coffee HFR” session if you are interested in the research about Human Forest Relationships or are even active in the field yourself.

If you want to join, please contact: luisebutzer@uni-jena.de and a Zoom link will be sent to you shortly before the session.

What is it about?

1st English “Scientific Coffee Human-Forest-Relationships”

08. September 2021
13-15 CET / 14-16 EEST

Input: Anne Matilainen (University of Helsinki): Feelings of psychological ownership towards forests

The “Scientific Coffee” sessions continue our cooperation and exchange on the relations between society, humans and forests that we started with the workshop “Contested Society-Nature-Relations. Forest related Emotions, Practices & Conflicts in Times of Societal Change” in May this year. The start will be made by our colleague Anne Matilainen from the University of Helsinki who is researching the concept of psychological ownership in the context of forests. More info on her academic work: https://researchportal.helsinki.fi/en/persons/anne-matilainen/publications/

Anne will give a short introduction to the concept of psychological ownership and her research. With coffee and cookies at hand, we will have plenty of room for an open discussion and exchange. The scientific coffee will take place on zoom (link below).

The “Scientific Coffee HFR” sessions give room for open and relaxed discussions on current research subjects related to human and society relations to forests. They take place as often as we find the time to organise another session – but at least one session per semester is planned.

If you are interested in contributing to the next “Scientific Coffee HFR”, please contact jana.holz@uni-jena.de with info on your subject (title and short abstract) and preferred Wednesday (13-15 CET / 14-16 EEST).

flumen-Forschungskolloquium „Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Transformationen“ im SoSe 2021

Das gesamte Kolloquium findet ONLINE statt

16. April | 18-20 UhrReihe Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit?

Thesen zur Annäherung an eine Postwachstums-Stadt

Diskussion mit Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister Wuppertal

zur Anmeldung
21. April | 19–20:30 Uhr  Reihe Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit?

Zukunftsfähige Finanzierung geht nur, wenn die Stadt immer weiter wächst?
Vortrag & Diskussion mit Henrik Scheller, Deutsches Institut für Urbanistik

zur Anmeldung
5. Mai | 19-20:30 UhrReihe Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit?

Wie wird weniger genug? Suffizienz als Strategie für eine nachhaltige Stadtentwicklung

Vortrag und Diskussion mit Michaela Christ, Norbert Elias Center, Europa-Universität Flensburg

zur Anmeldung
6. Mai | 10-12 UhrKlimaskeptizismus im Kontext eines neuen Autoritarismus
Julian Niederhauser, Universität Wien

War Klimaskeptizismus bis vor wenigen Jahren noch das gezielt lancierte Produkt einer mit fossilem Kapital finanzierten Leugnungsmaschinerie, gedeiht er in der gegenwärtigen Atmosphäre zunehmender Ablehnung liberal-demokratischer Institutionen vor allem in digitalen Diskursräumen und findet sich nicht zuletzt in zahlreichen autoritär-populistischen Programmatiken. Was Menschen bewegt, eine klimaskeptische Haltung einzunehmen, ist jedoch weitgehend unerforscht – genauso wie das Verhältnis dieser klimapolitischen Verweigerung zu anderen autoritären Diskursen. Eine genaue Untersuchung könnte Aufschluss über sozial-ökologische Konfliktdynamiken geben und zu einem besseren Verständnis von Transformationshindernissen beitragen.

Zoom: https://uni-jena-de.zoom.us/j/62692445384, Meeting-ID: 626 9244 5384
Kenncode: 036783
20. Mai | 19-20:30 Uhr  Reihe Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit?

Kommunale Wirtschaftsentwicklung im Rahmen planetarischer Grenzen
Vortrag und Diskussion mit Sandra Wagner-Endres, Deutsches Institut für Urbanistik

zur Anmeldung
9. Juni | 18-20 Uhr

Reihe Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit?

Abschlussdiskussion Stadtpolitik ohne Wachstum? Perspektiven für Jena

Podiumsdiskussion mit Akteur:innen aus Stadtpolitik und Zivilgesellschaft, u.a. Christian Gerlitz (Bürgermeister in Jena), Felix Weisbrich (Grünflächenamt Berlin Friedrichshain-Kreuzberg), Prof. Dr. Silke van Dyk (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Soziologie)

zur Anmeldung
10. Juni 2021 18:30-20:30 Uhr„A Social Ecology of Capital“: presentation and discussion
 Eric Pineault, L’Université du Québec à Montréal (UQAM)

The social ecology of capital is a contribution to the theory of contemporary capitalist growth and a study of its socioecological contradictions. Growth is understood in this work both as a biophysical process and an accumulation process, the study aims to explain how metabolism and accumulation mediate each other in the economic process of advanced capitalism, why capitalist society depends on accelerating growth, or the constant upscaling of its economic process for its social stability, and how this deepens the ecological contradictions that all of humanity now faces. Pineault’s presentation will share ongoing work as he approaches the end of the writing project. 

Zoom: https://uni-jena-de.zoom.us/j/62692445384, Meeting-ID: 626 9244 5384
Kenncode: 036783
24. Juni | 10-12 UhrCommunity Gardening in Wien. Soziale Naturbeziehungen und Lernprozesse
Andreas Exner, RCE Graz-Styria – Zentrum für nachhaltige
Gesellschaftstransformation

Zoom: https://uni-jena-de.zoom.us/j/62692445384, Meeting-ID: 626 9244 5384
Kenncode: 036783

Bei Fragen bitte flumen@uni-jena.de kontaktieren

Stadtpolitik ohne Wachstum? Perspektiven für Jena, 09. Juni 2021 | Online-Diskussionsveranstaltung

Abschlussveranstaltung der Online-Veranstaltungsreihe der BMBF-Nachwuchsgruppe „Mentalitäten im Fluss“ (flumen) und des Runden Tischs Klima und Umwelt Jena Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit?

Hintergund

Ende 2020 legte die Jenaer Stadtverwaltung dem Stadtrat den Entwurf eines sogenannten Haushaltssicherungskonzeptes (HSK) vor. Der umfangreiche Katalog von Maßnahmen zur Kürzung von Ausgaben und Erhöhung von Einnahmen über einen Zeitraum von fünf Jahren, den das HSK vorschlug, sollte neben der Konsolidierung der Finanzlage ausdrücklich dem Ziel der Absicherung eines längerfristigen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums der Stadt dienen: „Maßnahmen, die direkt ein Wachstum von Wirtschaft und Steuerkraft bewirken, sind wichtiger als solche, die das nicht oder nur indirekt tun“ (S. 19). Wachstum sei alternativlos, ja es sei sogar die einzige Chance (S. 20) für eine finanziell klamme und einer Vielzahl von Risiken ausgesetzte Stadt, aus ihrer misslichen Lage herauszukommen und ihre Probleme zu lösen.

Nicht zuletzt gegen diese einseitige Fixierung auf immer weiteres Wachstum richteten sich die Proteste eines breiten Spektrums von Akteur:innen der Stadtgesellschaft, die dazu beitrugen, dass das Konzept – nicht aber viele seiner Maßnahmen – inzwischen vom Tisch ist. Die Kritik richtete sich aber nicht einfach auf die Sicherung des Anteils der eigenen Interessengruppe am kleiner werdenden Kuchen des Stadthaushalts, sondern argumentierte aus einer langfristigen, von den Voraussetzungen einer klimaneutralen und sozial gerechten künftigen Stadtgesellschaft ausgehenden Perspektive, aus der die Priorisierung immer weiteren Wachstums auch auf kommunaler Ebene als nicht dauerhaft tragbar erscheint, und sie war zentral mit der Forderung nach einem Dialog über Alternativen verbunden. Dieser Dialog steht ungeachtet der Zugeständnisse bei den Kürzungen weiter aus.

Hier knüpfen wir mit dieser Veranstaltungsreihe an, um zu fragen: Ist eine Stadt wie Jena wirklich auf Gedeih und Verderb zum Wachstum verdammt? Ist es wirklich ohne Alternative, Leistungen zur Bedienung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung von Stadt und Region unter den Vorbehalt weiteren Netto-Zuzugs und erhoffter kapitalstarker Unternehmensansiedlungen zu stellen? Führt kein Weg darum herum, Investitionen in aus betriebswirtschaftlicher Sicht ‚bleibende Werte‘ wie Straßen und Parkhäuser grundsätzlich zu privilegieren gegenüber Investitionen in die Menschen, in die Qualität und Zukunftsfähigkeit des Lebens in der Stadt? Unter den Bedingungen, unter denen die Kommune heute agiert, beantwortet eine Mehrheit der Ratsmitglieder diese Fragen mit ja. Der langfristig gedachten Kritik wird einer Perspektive entgegengehalten, die sich an der pragmatischen Lösung gegenwärtig akuter Probleme orientiert und strategisch stets nach Kompromissen zur Verteilung von Zugewinnen des Wachstums wie Lasten seines Ausbleibens sucht. Die Kritiker:innen, so heißt es, hätten ja keine Antworten auf die drängenden Probleme – und tatsächlich tun sie sich schwer damit, zu sagen, wie denn unter Bedingungen einer im Ganzen auf Wachstum gepolten Gesellschaft eine einzelne Kommune einen anderen, suffizienten Weg gehen können soll. Aber gibt es wirklich keine Alternative?

Diese Frage soll in dieser Reihe in einem annähernden Gespräch zum Auftakt, drei Vorträgen aus wissenschaftlicher Sicht und in einer abschließenden Diskussionsrunde mit lokalpolitischen Akteuren unter verschiedenen Gesichtspunkten näher beleuchtet werden. Alle Veranstaltungen finden online statt.

Termine

Mi 09. Juni 2021, 19 Uhr
Stadtpolitik ohne Wachstum? Perspektiven für Jena
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Silke van Dyk (Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Soziologie), Christian Gerlitz (Bürgermeister und Dezernent für Stadtentwicklung und Umwelt in Jena), Gianna Mascioni (Fridays for Future), Katrin Lenk-Mimietz (Runder Tisch Klima und Umwelt) und Felix Weisbrich (Grünflächenamt Berlin Friedrichshain-Kreuzberg)

nach Anmeldung Zusendung der zoom-Zugangsdaten

vergangene Termine

Fr 16. April 2021, 18 Uhr
Stadtpolitik ohne Wachstum – ein Ding der Unmöglichkeit? Annäherndes Gespräch mit
Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal
zur Anmeldung

Mi 21. April 2021, 19 Uhr
Zukunftsfähige Finanzierung geht nur, wenn die Stadt immer weiter wächst?
Vortrag und Diskussion mit Henrik Scheller, Deutsches Institut für Urbanistik
zur Anmeldung

Mi 05. Mai 2021, 19 Uhr
Wie wird weniger genug? Suffizienz als Strategie für eine nachhaltige Stadtentwicklung
Vortrag und Diskussion mit Michaela Christ,
Norbert Elias Center, Europa-Universität Flensburg
zur Anmeldung

Do 20. Mai 2021, 19 Uhr
Kommunale Wirtschaftsentwicklung im Rahmen planetarischer Grenzen
Vortrag und Diskussion mit Sandra Wagner-Endres, Deutsches Institut für Urbanistik
nach Anmeldung Zusendung der zoom-Zugangsdaten

Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.

Kontakt: judith.kiss@uni-jena.de

Jana Holz und Lilian Pungas bieten im SoSe 2021 ein Online-Seminar zu den „Kontroversen gesellschaftlicher Naturverhältnisse alter und neuer Bioökonomien“ an

Bestehende und mögliche zukünftige gesellschaftliche Naturverhältnisse prägen die Bioökonomie als programmatischer Begriff, als Investitionsprogramm und Zukunftsvision einer möglichen nachhaltigeren Zukunft für Wirtschaft und Gesellschaft, die auf Kreisläufen, post-fossilen Industrien und veränderten Konsummustern aufbaut. 

In dem Seminar nähern wir uns der Bioökonomie mit den Begriffen und Konzepten der sozialwissenschaftlichen sozial-ökologischen Forschung (wie zum Beispiel zu gesellschaftlichen Naturverhältnissen, Externalisierung, Extraktivismus und weiteren Konzepten). Wir diskutieren wie eine Veränderung der stofflichen und energetischen Basis unseres Wirtschaftens mit Veränderungen von sozialen, mentalen und gesellschaftlichen Aspekten zusammenhängt. Ziel des Seminars ist es, mit den Studierenden gemeinsam zentrale Begriffe und Konzepte zu erarbeiten und sie auf die Bioökonomie im Allgemeinen sowie auf konkrete Beispiele aus unserer eigenen Forschung anzuwenden. 

Es handelt sich um ein Blockseminar:

Die Einführungsveranstaltung findet am 16. April um 10:15 Uhr über zoom statt.

Abendveranstaltung „Die Zukunft der Wälder – Welche Rolle spielen Gefühle und unsere Beziehung zum Wald?“ – 27. Mai 2021 | 18-20 Uhr CET | ONLINE

-Suomenkielinen versio alla-

„Die Zukunft der Wälder – Welche Rolle spielen Gefühle und unsere Beziehung zum Wald?“

Perspektiven aus Deutschland und Finnland

27.05.2021, 18:00-20:00 Uhr CET, online

In Finnland wie Deutschland spielen Wälder und deren Nutzung eine wichtige Rolle für Gesellschaft und Wirtschaft. In dem Zusammenhang wird teils heftig darüber debattiert, wie ein zukunftsfähiger Wald und nachhaltige Nutzungen aussehen sollten. Vor allem angesichts der heutigen Herausforderungen wie Klimawandel oder dem steigendem Bedarf an nachhaltigen Holzprodukten werden unterschiedliche Zielvorstellungen, Meinungen und Behauptungen geäußert. Lösungsansätze aus der Forstwissenschaft und dem Forstmanagement, aber auch aus der Klimawissenschaft setzen an ganz unterschiedlichen Stellen an. Und alle möchten mitreden: Da sind die Waldbesitzer:innen, Jäger:innen oder Naturschützer:innen, die Politik, die Forstwirtschaft und die Wissenschaft. Auch viele Bürger:innen setzen sich für den Schutz lokaler Waldflächen oder eines besonders alten Baumes ein oder sind besorgt über die vielen abgestorbenen Fichten an den Südhängen im Harz oder Thüringer Wald. Hierbei schwingen immer auch Emotionen und spezifische Mensch-Wald-Beziehungen mit.

Wir laden Sie ein zu einer Diskussionsveranstaltung, in der wir uns Perspektiven aus Deutschland und Finnland auf Wald und Bäume und unserem Verhältnis zu ihnen nähern wollen. Gemeinsam mit Ihnen möchten wir uns den Fragen widmen: 

  • Was sind Beziehungen zwischen Natur (Wald), Menschen und Gesellschaft? Wie lassen sie sich diskutieren und wissenschaftlich erforschen?
  • Welche Konflikte, Ängste oder auch positive Assoziationen zum Wald und dessen Nutzung durch verschiedene Gruppen finden sich in Finnland und Deutschland?
  • Welche Rolle spielen Emotionen und unterschiedliche Beziehung zwischen den Menschen und dem Wald für die Zukunft der Wälder? 

Diesen Fragen werden wir uns durch kurze Inputs von Expert*innen aus beiden Ländern und in interaktiven Kleingruppendiskussionen nähern. Gemeinsam möchten wir uns einen Zugang dazu erarbeiten, welche Wertvorstellungen, Erfahrungen und Emotionen unserem Umgang mit der Natur und dem Wald sowie den häufig kontroversen fachlichen und gesellschaftlichen Diskussionen zugrunde liegen. Wir laden Sie herzlich ein, mit uns zu diskutieren. Die Veranstaltung richtet sich sowohl an interessierte Bürger*innen wie das Fachpublikum aus u.a. Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Journalismus oder Wirtschaft.

Wir freuen uns auf die Beiträge von: 

  • Den Mitgliedern des Projekts „Human-Forest Relationship in Societal Change“:
    Dr. Jaana Laine (Universität Helsinki), Tuulikki Halla (Universität Ostfinnland), Reetta Karhunkorva (Universität Ostfinnland)
  • Sibylle Roth-Witz, Albert-​Ludwigs-Universität Freiburg, Forst- und Umweltpolitik 
  • Moderation: Dr. Alex Giurca, Heidelberg Center for the Environment (HCE)

Bitte registrieren Sie sich für die Abendveranstaltung bis spätestens 26.05.2021 via Email an flumen@uni-jena.de. Bitte geben Sie folgenden Betreff an: „Anmeldung Abendveranstaltung HFR“ und teilen Sie uns Ihren Namen, Nachnamen sowie gern auch die Einrichtung/Organisation, die Sie vertreten, mit.


Die Veranstaltung wird organisiert von


der Nachwuchsgruppe „Mentalitäten im Fluss“ (flumen) an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Institut für Soziologie) &


dem Forschungsprojekt Human-forest relationship in Societal Change („Mensch-Wald-Beziehungen im Zuge gesellschaftlichen Wandels“) der Helsinki Universität & der Ostfinnland Universität, gefördert von der Stiftung Metsämiesten Säätiö Foundation


Mit freundlicher Unterstützung durch

das Finnland-Institut in Deutschland & das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).



Metsien tulevaisuus – miten metsäsuhteemme vaikuttavat metsiin

Näkymiä Saksasta ja Suomesta

27.05.2021, 19:00-21:00 EET, online

Metsät ja niiden käyttö ovat yhteiskunnallisesti ja taloudellisesti tärkeitä sekä Suomelle että Saksalle. Saksalaisilla ja suomalaisilla sanotaankin olevan erityinen suhde metsään. Ilmastonmuutoksen myötä kansallisissa keskusteluissa ovat korostuneet hiilensidonta ja -varastointi sekä metsiin että pitkäkestoisiin puutuotteisiin.

Yksinkertaisia tai helppoja ratkaisuja ei näytä olevan – sen sijaan metsien käyttöön liittyy monia erilaisia ​​tavoitteita, mielipiteitä ja väitteitä. Niin metsänomistajat, luonnonsuojelijat, metsäalan ammattilaiset, politiikan toimijat kuin eri tieteenalojen edustajat esittävät omia ratkaisuvaihtoehtoja. Metsien käyttöä halutaan rajoittaa metsiä ja erityisesti vanhoja metsiä suojelemalla. Saksassa huolta aiheuttavat erityisesti Harzin ja Thüringenin alueen metsäkuolemat.

Suomalais-saksalaisen tutkijatapaamisen yhteydessä järjestettävässä kaikille avoimessa yleisötilaisuudessa  keskustellaan metsä- ja puusuhteista. Alustukset ja keskustelu keskittyvät erityisesti seuraaviin teemoihin:

  • Millaisia metsäsuhteita ihmisillä ja yhteiskunnilla on ja miten ne eroavat toisistaan?
  • Miten metsäsuhteita voidaan tutkia?
  • Millaisia metsien erilaisiin käyttötapoihin liittyviä konflikteja tai yhteistyötä Saksassa ja Suomessa on käynnissä?
  • Mitä merkityksiä erilaisilla metsäsuhteilla on metsien tulevaisuudessa?

Metsäsuhteita tarkastellaan ja niistä keskustellaan sekä Saksan ja Suomen ajankohtaisten tapahtumien (kiistat, metsien suojelu, metsätuhot) että erilaisten metsien hoitoon ja käyttöön liittyvien arvojen kautta. Jokaista keskustelua edeltää lyhyt asiantuntija-alustus. Tilaisuuden tavoitteena on herättää keskustelua ja ymmärrystä metsien tulevaisuuteen vaikuttavien teemojen moninaisuudesta. Tilaisuus on suunnattu kaikille teemasta kiinnostuneille tutkijoista ja mediasta kansalaisiin. Lämpimästi tervetuloa!

Vieraat:

  • Dr. Jaana Laine (Helsingin Yliopisto ), Tuulikki Halla (Itä-Suomen yliopisto), Reetta Karhunkorva (Itä-Suomen yliopisto)
  • Sibylle Roth-Witz, Albert-​Ludwigs-Universität Freiburg
  • Tilaisuuden puheenjohtajana toimii : Dr. Alex Giurca, Heidelberg Center for the Environment (HCE)

Ilmoittauduthan yleisötapahtumaan viimeistään 26.5.2021 sähköpostitse osoitteeseen: flumen@uni-jena.de. Kirjoitathan otsikkokenttään: Ilmoittautuminen yleisötapahtumaan 27.5. sekä itse viestiin: nimesi ja mahdollinen organisaatiosi.  


Työpajan järjestävät


Mentalities in Flux’ (flumen) -tutkimushanke, Friedrich-Schiller-University Jena, Germany | rahoittajana Saksan opetusministeriö &


Ja ‘Metsäsuhteet yhteiskunnallisessa muutoksessa -tutkimushanke |rahoittajana Metsämiesten Säätiö sekä Helsingin yliopisto ja Itä-Suomen yliopisto


Työpajan rahoittaa Suomen Saksan instituutti ja Saksan opetus- ja tutkimusministeriö


Matthias Schmelzer nimmt am 03.02.2021 am Workshop „The Ecology of Economic Thought“ teil (Weatherhead Center/Harvard University)

Dort präsentiert er seinen Aufsatz „The Critique of Growth in Historical Context“. Der Workshop findet von 9:30 bis 10:30 Uhr online statt. Anmeldung unter https://harvard.zoom.us/webinar/register/WN_QQRtKHx2SFaYIU-0ovMGJw

Programm:

‘The Limits to Certainty and the Metaphysics of Infinitude’ Nandita Badami (UC Irvine)
Discussants: Venus Bivar (York) and Kristoffer Ekberg (Chalmers)

‘Writing the History of Ecological Economic Thought’ Antoine Missemer (CIRED Paris) and Marco Paulo Vianna Franco (KLI)
Discussants: Julia Nordblad (Uppsala) and Matthias Schmelzer (Jena)

‘Critiques of Growth in Historical Context’ Matthias Schmelzer (Jena)
Discussants: Roman Gilmintinov (Duke) and Glenda Sluga (EUI)


„The Ecology of Economic Thought“ ist eine fünfteilige online-Seminarreihe des Canada Program am Weatherhead Center der Harvard University. Mehr unter https://programs.wcfia.harvard.edu/canada_program/Ecology.

Interdisziplinärer Workshop „It’s the (bio)economy, stupid!“ 7./8. Oktober 2020

Foto: Jan-Peter Kasper

It’s the (bio)economy, stupid!
Die Zukunft des Wachstums und das Versprechen der Bioökonomie

Interdisziplinärer Workshop am 7./8.10.2020, Friedrich-Schiller-Universität Jena


Bericht
Programm
Präsentationen im Workshop

Videos

Mario Giampietro, ICREA Research Professor, Institute of Environmental Science and Technology (ICTA) at the Universitat Autònoma de Barcelona: “The policy legend of the circular bioeconomy: A biophysical view of the sustainability predicament”, Online Vorlesung, 7. Oktober 2020. Moderation: Anne Tittor


Daniela Thrän, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ, 2012-2019 Ratsmitglied des Bioökonomierats: “Bioeconomy’s Contribution to Economic Growth”, Online Keynote, 8. Oktober 2020. Moderation: Dennis Eversberg.


Worum es ging:

Das vorherrschende Narrativ in den laufenden Debatten um die Bioökonomie zeichnet das Bild einer künftigen Wirtschaft, die auf Erneuerbaren Energien und biologischen Ressourcen basiert. Es verspricht modernen Gesellschaften ein “grünes” Wirtschaftswachstum, durch das es möglich werde, eine auf fossilen Rohstoffen und Energieträgern basierende Wirtschaft hinter sich zu lassen und so eine nachhaltige Zukunft aufzubauen.

Doch ist dieses Versprechen eines neuen, biobasierten Zyklus von Wachstum und Kapitalakkumulation erfüllbar? Können auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaften, die gleichzeitig auf bioökonomischen Stoffen und Ressourcen basieren, wirklich nachhaltig und global gerecht gestaltet werden? Ermöglicht die Bioökonomie eine Dekarbonisierung der Wirtschaft sowie die Entkopplung von Ressourcendurchsatz und BIP? Oder würde die Transformation moderner Gesellschaften hin zu postfossilem, biobasiertem Wirtschaften die Überwindung des grenzenlosen Wachstums-Paradigmas voraussetzen?

Während fossil basierte Wirtschaften auf einem stetig wachsenden linearen Durchsatz und einer permanenten Ausweitung der Förderung fossiler Ressourcen aufgebaut sind, fußen biobasierte Wirtschaften auf Stoffen, deren Verfügbarkeit biophysikalischen Grenzen und zyklischen Regenrationsprozessen unterworfen ist und nicht beliebig erweitert und beschleunigt werden kann. Diese Dynamik der Ausweitung der benötigten Energie- und Gütermengen kann in einer auf erneuerbaren Ressourcen beruhenden Wirtschaft nicht ohne weiteres beibehalten werden. Allerdings sind als Folge jedes möglichen Bruchs mit der fossilen Logik des expansiven Abbaus natürlicher Ressourcen wirtschaftliche Krisen und neue Verteilungskonflikte zu erwarten. Andererseits könnte ein Umsteuern zu bio-basiertem Wirtschaften auch Ausgangspunkt für einen grundlegenderen Wandel moderner Gesellschaften sein: die gesellschaftliche Organisation von Lohn- und Care-Arbeit, Konsummuster oder auch die Vorstellungswelten der Menschen könnten neu verhandelt werden, oder zumindest könnte deutlich werden, dass ein Wandel in diesen Feldern nötig ist.

In ganz ähnlicher Weise verkünden politische Akteure und Strategien oftmals, dass die Bioökonomie weitreichende Veränderungen mit sich bringen wird: die Bioökonomiestrategie der EU sagt Europa „rasche, untereinander abgestimmte und nachhaltige Veränderungen seiner Lebensweise und seines Umgangs mit Ressourcen auf allen Ebenen der Gesellschaft und der Wirtschaft“ voraus. Gleichzeitig scheinen die konkreten Handlungen von Schlüsselakteuren aus Politik, Wissenschaft und Industrie auf die Erwartung gestützt zu sein, dass die Bioökonomie es ihnen ermöglichen wird, mit dem business-as-usual fortzufahren und um eine Abwendung vom Wachstumsparadigma herumzukommen.  

Ziel unseres Workshops war es, die Beziehungen zwischen Bioökonomie und Wirtschaftswachstum aus einer multidisziplinären und globalen Perspektive zu diskutieren. Darüber hinaus wollten wir einen Austausch zwischen Debatten zu ökologischen und sozialen Folgen der Bioökonomie sowie den kritischen Debatten um nachhaltiges Wachstum, grünes Wachstum und Degrowth voranbringen.